Im Reisebus von Freiburg nach Shanghai – auf der Seidenstraße um die halbe Welt
5Mai/10Off

Iran, Iran, Iran…

28./29. April  - 15./16. Tag Teheran

Die Fahrt nach Teheran wieder wunderschön, durch von karstigen Bergen begrenzte Hochebenen, die jetzt schon Steppe sind, fast wüstenhaft. Kleine stachlige Büsche, aber immerhin gelb blühende Kamille dazwischen. Leider ist das Fotografieren der Landschaft durch die Fenster des fahrenden Busses immer problematisch, nur mit Glück hat man mal ein Bild, vor dem keine Spiegelungen sind.

Teheran selbst ist eigentlich keine Reise wert. Ein Moloch von Stadt, laut, stickig und eigentlich hässlich. Wir lernen, dass es ein Glück ist, dass es regnet. Denn das hat die Luft gereinigt, sodass wir dem offenbar sonst in der Hitze unerträglichen Smog entkommen sind. Die Stadt liegt am Rande des Elbursgebirges, dessen schneebedeckte Gipfel gelegentlich am Ende einer Straße zu sehen sind. Sie zieht sich über 700 Höhenmeter hin, das ist, als würde Freiburg von der Rheinebene bis zum Gipfel des Schauinsland reichen, und zwar dicht bebaut. In den nördlichen Höhenlagen auf bis zu 1.700 m wohnen die Wohlhabenden, denn dort ist das Klima im Sommer natürlich angenehmer, während die Armen im Süden auf etwa 1.000 m der Hitze gnadenlos ausgesetzt sind.

Einen unangenehmen Zwischenfall gab es: unangenehm für eine Mitreisende. Sie wurde kurz abgelenkt von einer Frau, und danach fehlten in ihrer Tasche Kamera und Geld. Hoffentlich passiert das nicht noch häufiger!
Aber die Museen sind interessant: Wir waren mit der Gruppe im Nationalmuseum, das sich sehr lohnt, einige waren nachmittags noch im Teppichmuseum, das ebenfalls hervorragend sein soll. Im Nationalmuseum Artefakte, die z.T. noch aus dem 5. Jahrtausend vor Christus stammen. Besonders eindrucksvoll ein gut 2 m hohes und vielleicht 5 m langes Relief, das Darius I und seinen Sohn Xerxes und deren Hofpersonal darstellt. Außerdem eine fast naturgroße phantastische Löwenskulptur aus Stein und ein ebenso großer Stier aus Terrakotta. Davon werde ich mal Bilder schicken.

30. April Freitag -
17. Tag Teheran – Isfahan

Also Qom. Eine heilige Stadt der Schiiten, weil dort die Schwester eines Imam beerdigt liegt. Heilige Stätten bedeuten für uns Frauen noch mehr Schikane. Nackte Füße in Sandalen sind verpönt, frau soll so verhüllt wie möglich sein. Also Strümpfe in der Hitze, das Kopftuch bitte auch um den Hals usw. Der Bus wird nicht in die Stadt gelassen, wir müssen mit einem Bus des ÖPNV hineinfahren und diesen Bus bitteschön korrekt besteigen: die Männer vorne, die Frauen hinten. Das geht unter einigem Gekicher ab, ist aber schon ein Hammer!

Für die Besichtigung des Heiligtums müssen wir Frauen uns in einen Tschador wickeln, also ein großes Tuch, das frau dann unter dem Kinn zusammenhält. Mach das mal, wenn du in jeder Hand eine Krücke hast, und geh mal damit während sich das Tuch um deine Krücken wickelt. Es war Freitag, der Sonntag der Muslime. Weil wir kurz vor dem Freitagsgebet ankamen, wo Touristen dann nicht mehr zugelassen sind, hetzte uns Reza durch die Moschee („zum Fotografieren haben wir keine Zeit“) in einen kleineren Raum, eine Art Seiten-Kapelle, wo schon ein Mullah auf uns wartete und uns dann einen Vortrag u.a. über die Friedensliebe der Iraner hielt. Dann durften wir ihn und uns mit ihm fotografieren und mussten schleunigst wieder raus, weil nun das Freitagsgebet anfangen sollte. Die ganze Sache war – so wie sie ablief – im Grunde nur eine Show-Veranstaltung für Touristen.

Nach weiteren 2 bis 3 Stunden Fahrt Einfahrt in Isfahan: ein großes Ahhhh geht durch den Bus. Safti-ges Grün überall und BÄUME!! Die hatten wir schon längere Zeit nicht mehr gesehen. In der Tat: eine wunderschöne Stadt. Die Straßen gesäumt von Blumenrabatten, Bäumen, desgleichen auf dem Mittel-streifen der breiten Alleen, viele wunderschöne Parks mit uralten Bäumen drin: soweit ich es erkennen konnte, Kiefern, Platanen, Birken. Viele Blumen, vor allem Rosen.

Aus der Reisebeschreibung von Hans-Peter Christoph: "Vor dem Abendessen unternehmen wir einen Spaziergang und bewundern sprachlos den schönsten Platz der Welt, den Meydane-Emam. Und wir lassen uns von der einzigartigen Atmosphäre verzaubern und gefangen nehmen, wenn wir unten am Fluss unter einem sternenklaren Wüstenhimmel bei Tee und Wasserpfeife sitzen. In Isfahan haben wir vier Übernachtungen vorgesehen. Wie immer bei unseren Aufenthalten in Freiburgs Partnerstadt wohnen wir im Abassi Hotel. Es handelt sich um eine zum 5-Sterne-Hotel umgebaute Karawanserei im Palastkomplex des Shah und stammt aus jenen vergangenen Zeiten, als Isfahan noch die Hauptstadt Persiens war. Das Abassi gilt als das schönste Hotel Irans und liegt so zentral, so dass wir uns in der schönsten Stadt des Orients nur zu Fuß bewegen brauchen."

Das Hotel ist ein Traum. Wir aßen zu Abend im hinreißend schönen Innenhof, endlich einmal draußen sitzend. Ich schicke Bilder.

1. Mai Samstag - 18. Tag Isfahan

Aus der Reisebeschreibung von Hans-Peter Christoph: "Wir haben heute am Vormittag eine Führung durch einen Teil der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten, welche die ehemalige Hauptstadt Persiens vorzuweisen hat. Am Nachmittag verfügen wir über freie Zeit, zum Entspannen und Erholen, aber auch zum Entdecken und Freundschaft schließen mit Isfahan und seinen überaus liebenswürdigen Menschen: ganz individuell und ohne Gruppenanhang. Um uns dann wieder zu treffen, zum Austausch, zum Erzählen und weil wir neue Freunde gewonnen haben."

2. Mai Sonntag - 19. Tag Isfahan

Auch heute Vormittag sind wir wieder mit unserem Führer unterwegs, denn wir haben längst noch nicht alles gesehen. Gerade an einem Sonntag ist es interessant, durch den armenischen Stadtteil zu gehen. Kirchenglocken rufen die vielen Christen, Nachfahren der Armenier, die sich hier niedergelassen haben in die Kirchen. Die größte von Ihnen ist die Vank-Kathedrale, in der auch ein Museum untergebracht ist, welches das Schicksal dieser Minderheit dokumentiert. Es passt so gar nicht ins Bild, das wir als Europäer vom Iran haben, dass Christen – wie auch Juden – frei ihre Religion ausüben können. Der Nachmittag ist wieder frei.

3. Mai Montag -
20. Tag Isfahan

Aus der Reisebeschreibung von Hans-Peter Christoph: "Ihren ganz persönlichen Interessen können Sie heute den ganzen Tag nachgehen. Für heute haben wir überhaupt kein Programm vorgesehen. Gestalten Sie diesen Tag ganz genau so, wie es für Sie richtig ist. Isfahan ist eine wundervolle Stadt."

Leider leider wurde der letzte Tag in Isfahan gestrichen. Die Regierung hatte für diesen Tag das Hotel beschlagnahmt, vermutlich für irgendeine internationale Delegation, und so müssen wir einen Tag früher diese wunderschöne Stadt verlassen. Dafür werden wir die Strecke nach Sharud, die sehr lang ist, nicht in einem Tag fahren, sondern unterwegs in einer ehemaligen Karawanserei übernachten, die heute von einer Familie bewirtschaftet wird.

Die vielen Sehenswürdigkeiten der Stadt, wunderschöne Moscheen, innen und außen voll verkachelt, die alten, zweistöckigen Brücken, der riesige zentrale Platz sind sehr beeindruckend, aber gleichzeitig sind diese Eindrücke so viele, dass sie zu beschreiben mich jetzt überfordert. Es ist eine Stadt, in der man eigentlich mindestens zwei Wochen verbringen sollte, und auch mit Genuss könnte.

Immer wieder sprechen uns Menschen an. Meist können sie kein Englisch, von Deutsch ganz zu schweigen. Sie legen aber Wert darauf, uns wenigstens „Hello“ zu sagen und ein freundliches Lächeln zu schenken. Diejenigen, die etwas besser Englisch können, fragen uns, wie uns Iran gefällt und bekommen selbstverständlich begeisterte Antworten. Und in Läden, in denen wir etwas kaufen, sorgen sie dafür, dass wir nicht übervorteilt werden! Denn das versuchen die Ladenbesitzer schon mal.

Einige allerdings sprechen fließend Englisch, und da sind dann tatsächlich auch politische Gespräche möglich. Die Wut ist groß, aber auch die Hoffnungslosigkeit. Es wird keine Volkserhebung erwartet, weil allen klar ist, dass das zu einem Bürgerkrieg führen würde. Bei der noch frischen Erinnerung an den Irakkrieg will das niemand. Erwartet wird im Gegenteil ein noch strengeres Regiment bis hin zur Vermutung, dass bald auch Touristinnen gezwungen sein könnten, den Tschador zu tragen.

Selten gibt es auch Aufdringlichkeit. Man wird eingeladen zum Tee in einen Teppichladen, angeblich soll man nur gucken, braucht gar nichts zu kaufen, aber der Zweck ist halt doch der, einen Teppich an uns loszuwerden. Und dann diese Situation: Ich suche nach einem Taxi, das mich von der wunderschönen Khajoud-Brücke ins Hotel bringt. Ein aufdringlicher junger Mann will mir unbedingt eins besorgen, was ich gar nicht will (ich bin selber groß), es kommt eine Gruppe junger Frauen vorbei, die kein Englisch können, die Situation bemerken und verstehen, und plötzlich habe ich die äußerst energische Hand einer dieser Frauen im Rücken, die mich von dem Jungen wegschiebt, die dazugehörige etwa 20-Jährige teilt dem Jungen gleichzeitig mit, dass er sich zu trollen habe, was der auch brav tut. Das Wort Taxi, das ich äußere, verstehen die Frauen, schieben mich über die Straße auf die andere Seite, stopfen mich dort, ohne dass ich protestieren kann, in ein schon volles Taxi, sagen dem Taxifahrer und den Mitfahrenden, wohin ich will, schon bin ich unterwegs, und die Mitreisenden sorgen inzwischen dafür, dass ich nicht mehr als 2 Euro für die Fahrt zahle.

Und dann Ali. Ali lebt in Düsseldorf, ist gerade in Ferien in seiner Heimatstadt Isfahan, spricht fließend Deutsch und opfert uns seinen vorletzten Nachmittag hier. Wir sind eine Gruppe von einigen Frauen, und er führt uns nun in Teile des Bazars, die wir nie bemerkt hätten: Hinterhöfe, ein abenteuerliches Teehaus mit einer Abteilung für Männer und einer für Familien, in der wir dann sitzen, Tee trinken und Wasserpfeife rauchen. Der Schmuck an Wänden und Decken ist umwerfend (ich schicke Bilder). Später zeigt er uns Werkstätten, in denen Teppiche repariert oder Stoffe bedruckt werden, eine Werkstatt, in der die berühmten Kacheln bemalt und gebrannt werden. Eine sehr diffizile Arbeit! Wir dürfen die Leute bei der Arbeit beobachten und fotografieren, der Brennofen ist unglaublich primitiv und brennt drei Kacheln pro Tag! Wir bekommen ein Stück Iran zu sehen, das Touristen wohl sonst nie zu sehen bekommen.

Am letzten Abend in Isfahan mache ich – zum ersten Mal in Iran – mal den Fernseher an. Ich erwarte eigentlich nur persische Programme, und die gibt es natürlich: mindestens drei, auf denen Mullahs ihre Meinungen kundtun, teils allein, teils in Talkshows, dann natürlich Nachrichten und Spielfilme. Aber dann staune ich: mehrere englischsprachige Programme, nämlich Press-TV, das amerikanisch CCTV, ein offensichtlich iranischer Sender in englischer Sprache, BBC (!!) und – ausgerechnet! – CNN, also DER amerikanische Hetzsender gegen die „Achse des Bösen“. Dazu Euronews in deutscher Sprache und ein französischsprachiger Sender. Im Übrigen guckt der Feind USA hier aus allen ökonomischen Löchern: das Waschbecken ist „American Standard“, zu trinken gibt es Cola und Fanta usw.

4. Mai Dienstag -
21. Tag Isfahan – Sharoud

Aus der Reisebeschreibung von Hans-Peter Christoph: "Heute ist wieder Fahrtag: Welch ein Genuss, stundenlang aus dem Fenster zu schauen, die Wüste an uns vorüber ziehen zu lassen, die in ihren Formationen, Tälern, Schluchten und ihrer monumentalen Gebirgswelt einfach nur als großartig und fantastisch zu bezeichnen ist. Zerfallende Karawansereien tauchen auf, immer wieder sind museumsreife LKWs zu überholen, eine Fata Morgana nach der anderen taucht auf. Bilder prägen sich ein, die wir nie wieder vergessen werden. Wir sind im Orient, so unbeschreiblich schön. Eine Übernachtung in Sharoud auf halber Strecke nach Mashhad, der heiligsten Stadt Irans."

Aber vorher übernachten wir ja noch in der oben erwähnten Karawanserei. Heute ist für mich ein Freudentag – hoffentlich. Denn hoffentlich habe ich die Krücken nicht zu früh in den Laderaum des Busses gegeben. Aber es sieht so aus, als dürfe ich jetzt ohne gehen.

Weiterfahrt durch platte Wüste, Besichtigung der Freitagsmoschee in Nain. Immer wieder kleine Oa-senstädtchen mit Grün. Und in einem solchen liegt unser Hotel, eine ebenfalls umgebaute Karawanserei, sehr einfach, aber bezaubernd. Abends fahren wir noch etwas hinaus in die Wüste, sehen den Son-nenuntergang und einen riesigen Salzsee. Allerdings enthält dieses Salz auch Metalle und Mineralien wie Pottasche und vor allem Magnesium. Davon kostet ein Kilo 850.000 US-Dollar, es ist vermutlich kostbarer als Gold. Ursprünglich war Deutschland an der Erforschung einer möglichen Ausbeutung dieser Ressourcen beteiligt, aber seit die USA ihren Psychokrieg samt Embargo gegen den Iran führen, läuft da nichts mehr.

Wir waren auf einer einfachen Landstraße herausgefahren, und jetzt mussten wir wieder zurück. Stefan fuhr und vollbrachte auf der engen Straße ein Wendemanöver, das uns allen Respekt abnötigte. Dabei fällt mir ein, dass ich zwar über HP Christoph, den „Scheff“ und Ina Jander, die gute Seele der Reise, aber über die beiden anderen Mitglieder des Teams noch gar nichts geschrieben habe, also über Stefan Reif, unseren zweiten Fahrer, und über Anatoli Reklin, den Mechaniker, der für den Fall dabei ist, dass an dem Bus etwas zu reparieren sein sollte. Beide sind ebenfalls sehr nette und hilfsbereite Menschen. Stefan bugsiert den Bus genauso sicher um unwahrscheinliche Kurven und durch Engpässe wie HP, und Toli hilft, wo er kann, und wenn man sich dann bedankt, sagt er lächelnd: „Ich bin ja nicht zum Spaß mitgefahren“. Außerdem macht er hochprofessionelle Fotos, die uns alle vor Neid erblassen lassen.

Inzwischen sind wir nach einer Fahrt durch atemberaubende Wüstenlandschaften in Sharud angekommen. Was soll ich da beschreiben, ich werde ein paar Fotos schicken. HP sagt, dies sei eine der schönsten Strecken der ganzen Reise. So kam es uns auch vor. Ach, und es ist so eine Erleichterung, wieder richtig gehen zu können, bei Pausen sich wirklich die Beine etwas zu vertreten, anstatt auf Krücken rumzuhängen.

Barbara Volhard

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3Mai/10Off

Erfahrungen der iranischen Art

Liebe BlogleserInnen,

Das Nähkästchen hat sich wieder gefüllt:

Die Polizei, Dein Freund und Helfer....

Um 8.15 Uhr starten wir in Täbriz Richtung Teheran, alle sind fröhlich und guten Mutes. Die Sonne lacht und wir kommen zügig aus der Stadt. Wenn das so weiter geht, sind wir spätestens um 18.30 Uhr in Teheran. Etwa bei Kilometer 110 auf der Autobahn bremst der Bus, der Scheff ruft „Mädels, Kopftuch, Polizei“. Wir büscheln (richten) blitzartig unsere Kopfbedeckungen, es wird mucksmäuschenstill im Bus, wir spitzen die Ohren und verstehen doch nur „Bahnhof“. Einer der Polizisten kommt in den Bus und will die Papiere sehen (nicht unsere, die vom Auto). Er steigt wieder aus und wir fahren langsam hinter dem Polizeifahrzeug Richtung nächste Ausfahrt. Der Scheff klärt uns auf: Die Polizei hat behauptet, wir seien mit mindestens 120 gefahren (statt 100), das geht aber gar nicht, da der Bus bei 100 plombiert ist, wir können gar nicht schneller fahren.

Um das Gesicht nicht zu verlieren, wollen die Polizisten alle Papiere sehen und entdecken dabei, dass ein Stempel fehlt (hat der Beamte bei der Einreise in den Iran verschlampt). Anstatt uns nun den fehlenden Stempel in der nächsten Stadt holen zu lassen (die wäre etwa 5 km entfernt) verlangen sie, dass wir zurück nach Täbriz fahren. Also zurück auf die Autobahn und 1 1/2 Stunden retour. Um 12 Uhr landen wir nur wenige 100 Meter (fast in Sichtweite) von unserem Hotel auf einem Parkplatz vor einer Polizeikaserne (Informatikabteilung der Täbrizer Polizei). Hans-Peter und Reza schnappen sich ein Taxi und fahren zur Hauptwache bzw. zum Polizeidepartement, um zu versuchen an den „richtigen“ Stempel zu kommen.

Wir machen uns derweil auf die Socken Richtung nahe gelegenem Park. Dort hat’s Bänklein und vor allem ein Hüsli. Wir werden bescheiden, dreckig hin oder her, Hauptsache wir können uns erleichtern (übrigens, ich hab’s gelernt, ich kann jetzt auch stehend brünzeln!). Ina hat Biskuits und das letzte Obst aus dem Bus mitgenommen die wir als Mittagsmahl essen – großen Hunger haben wir eh nicht.

Um 14.45 Uhr dann – große Erleichterung – kommen Hans-Peter und Reza im Taxi angerauscht mit dem richtigen Stempel in den Papieren. Dank einem netten Beamten dauerte die ganze Aktion „nur“ knappe 3 Stunden!! Der Scheff steigt mit einem riesigen Bündel Fladenbrot auf dem Arm aus dem Taxi. Wir können endlich wieder abfahren. Das Brot samt Resten vom letzten Picknick (für jeden/jede) ein bisschen Wurst und Käse und ausreichend Brot, herrlich! Statt am frühen Abend fallen wir dann nachts um 23 Uhr todmüde und bei strömendem Regen, aber mit immerhin 23 Grad schön warm, aus dem Bus.

Während die Koffer auf unsere Zimmer gebracht werden, können wir uns an den Resten des (wohl all-)abendlichen Buffets laben. Dass vieles fehlte, war uns wurscht, Hauptsache wir sind glücklich und sicher gelandet. Und schon bin ich wieder beim Thema...

Hotels

Beim Zimmerbezug in Teheran stellte sich dann leider heraus, dass das ehemals gut geführte 4-Sterne Haus total heruntergekommen ist. Es lebt ganz nach dem Motto außen hui und innen pfui, von außen sieht es nämlich todschick aus. Die Zimmer waren dann von der miesen Sorte, wir wurden wohl auch in den schlechtesten Zimmern untergebracht. Verfleckte Teppiche, unappetitliche Decken, Fenster, die nur mit brachialer Gewalt geöffnet werden konnten (oder wie bei einer Kollegin mit Brettern zugenagelt waren; sie konnte das Zimmer wechseln!). Eine richtige Absteige halt. Kurz: Wir waren froh, nur 2 Nächte dort zu sein. Ich habe geschimpft, wie ein Rohrspatz (und war nicht alleine damit), aber natürlich haben wir uns damit abgefunden und darüber faule Sprüche geklopft. Dem Scheff war die Sache etwas peinlich, er kann ja auch nichts dafür, denn letztes Mal war das Hotel noch ganz okay (das sagen alle, die schon mal da waren).

Die große Belohnung genießen wir dafür jetzt. Das Abassi-Hotel in Isfahan ist ein absoluter Traum. Eine Oase der Schönheit und Ruhe. Wir schätzen diesen Luxus nach dem Flop in Teheran umso mehr.

Geld und Bschiss

Hurra, wir sind alle Millionäre! Das Geld hier ist so wenig wert, dass man für 200 Euro (300 Schweizer Franken) knapp 3.000.000 (in Worten drei Millionen!!!) Rials erhält. Die Inflationsrate von Januar bis Ende April beträgt 41%. Der Iran scheint eine einzige große Gelddruckmaschine zu sein, der Kurs fällt täglich. Dies bedeutet für uns, dass alle Güter und Dienstleistungen fast gratis sind, aber die armen Iraner haben den Verlust von 41% ihres Einkommens innert 4 Monaten zu verkraften, schrecklich.

Die vielen Nullen auf den Noten hatten zur Folge, dass zwei unserer Mitreisenden mit einer 500.000-Note bezahlt haben und erst zu Hause bemerkten, dass sie nur auf 50.000 Rückgeld erhalten haben. Die eine Kollegin hat damit das Museum gesponsert (wir sehen das als Irrtum an), die andere wurde im Hotel übers Ohr balbiert, das schmeckt schon sehr nach Bschiss. Die beiden buchen das unter „Erfahrung“ ab, der Verlust ist verkraftbar (je ca. 35 Euro)

Bestohlen wurde auch jemand aus unserer Gruppe. Typische Situation an einer Bushaltestelle: Gedränge und Geschubse, zudem neugierige Sittenwächter (vor denen machen wir uns möglichst unsichtbar, falls das Kopftuch nicht ganz sittenkonform sitzt), und schon waren das Portemonnaie und eine kleine Kamera weg.

Und da sind wir beim Thema:

Das Kopftuch

Seit dem Grenzübertritt laufen wir also verschleiert durch die Gegend, auch im Bus muss es sein, im Hotel selbstverständlich auch. Nur die Zimmer sind kopftuchfreie Zone (der Balkon gehört aber nicht dazu). Wir sehen aus wie eine Mischung aus Mutter Theresa und Schleiereulen. Mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt und tragen unsere Tücher schon (fast) ganz selbstverständlich. Dass im Hotelgarten so etwa alle halbe Stunde via Lautsprecherdurchsage die Gäste darauf aufmerksam gemacht werden, das Kopftuch ja nicht sittenwidrig zu tragen, hat uns aber doch etwas befremdet (gelinde gesagt).

In Ghom wurde es dann allerdings heftig. Weil wir zur Zeit des Freitagsgebets die Moschee besuchen wollten, konnten wir nur mit Tschador in den inneren Hof rein. Wir erhielten welche am Eingang geliehen. Es sind riesige Tücher (Größenordnung Bettüberwurf – vom Doppelbett natürlich). Allein das Anziehen war ein Kampf mit dem Stoff. Mir hat ein junger Aufseher dabei geholfen (das darf er wohl nur bei Frauen, die wie ich, die Menopause hinter sich haben). Wir rafften also unsere Stoffe mit beiden Händen (von innen, die Hände soll man nicht sehen!) und gingen über den Hof (der Lieni hat mich überholt und ganz leise den „Morgestraich“ gepfiffen, dabei hatte ich doch gar kein Kopflatärnli an!!). Wir wurden von einem Mullah erwartet, der uns mit viel Blabla den Islam näherbringen wollte. Bevor wir den Raum betreten durften, mussten wir aber die Schuhe ausziehen. Jetzt mach das mal, wenn beide Hände besetzt sind, es war ein einziger Krampf. Ich hätte heulen können beim Gedanken, dass die halbe erwachsene Bevölkerung dieses Landes in 5 Quadratmeter Stoff gefangen (denn so kam ich mir darin vor) gehalten wird. Freiwilligkeit könnte ich gut akzeptieren. Der Zwang ist’s der so deprimiert.

Dafür freuen wir uns immer, wenn wir sehen, wie die jungen Frauen, die Kleiderordnung bis aufs Äußerste strapazieren. Da sitzt dann das Kopftuch ganz locker hinten am Kopf, die langen Mäntel werden hauteng getragen, da blitzen moderne Sneakers und Jeans hervor oder schicke enge Hosen und High Heels, einfach herrlich. Man sieht jede Menge junger Mädchen mit Pflaster auf der Nase, die lassen sich die Nase richten, weil sie finden, die ihre sei zu breit.

Dies & Das

Erfreuliche Nachrichten aus der Zahnarztpraxis. Inge, unserer Freundin, die sich in Istanbul beinahe von einem Fenster erschlagen ließ, wurden gestern die Fäden gezogen. Alles ist gut verheilt, die Lippe nicht mehr geschwollen und das „Veilchen“ ist wieder ein ganz normales Auge. Dafür musste sich unsere neue Reisegenossin, die in Teheran zu uns gestoßen ist, einen Zahn ziehen lassen. Dabei war sie vor der Abreise noch beim Zahnarzt, weil sie das Gefühl hatte, dass an dem Zahn was nicht stimmt. Der (deutsche) Zahni hat beruhigt, da sei alles in Ordnung. Kaum in Teheran angekommen, überfielen sie aber heftige Zahnschmerzen. Ein Röntgenbild zeigte dann gestern, dass besagter Backenzahn gespalten war und gezogen werde musste. Aber auch hier gibt’s ein Happyend: Der Zahn ist raus und die Schmerzen verschwunden.

Unsere „neue“ Reisegenossin ist ein Nordlicht (ein sehr nettes, es hat sich nahtlos in unsere Gruppe integriert), jetzt ist aus mit alemannisch schwätze, wir sprechen jetzt öfter nach der Schrift.

Die Menschen im Iran sind alle sehr freundlich, die Händler in den Bazars sind zurückhaltend. Wir haben befürchtet, überall zum Einkauf bequatscht zu werden, das trifft nicht zu, wir sind angenehm überrascht. Dafür werden wir nonstop von Kindern und Jugendlichen angesprochen. Ganze Schulklassen umringen uns oft, wollen Fotos machen (die Kids haben auch hier alle Handys), sie probieren ihre zwei bis drei englische Wörtlein an uns aus und kichern, kichern, kichern. Aber auch wir kugeln uns oft vor Lachen. Im Museum in Teheran hatten die Lehrer ihre liebe Mühe mit ihren Zöglingen, denn die wollten sich partout nicht mehr für die Ausstellung begeistern lassen, wir waren für sie viiiel interessanter.

Aber auch Studentinnen sprechen uns oft an, wollen wissen, was wir von ihrem Land halten und/oder beklagen sich über ihre Lebensumstände. Solche Begegnungen sind sehr schön, machen uns aber auch nachdenklich und traurig, wir wünschen uns sehr, dass diese liebenswerten Menschen so bald als möglich ein freieres Leben haben mögen – wenn möglich auf friedlichem Wege, ohne Bürgerkrieg.

Soviel für heute. Morgen zieht die Karawane weiter, uns erwartet eine Nacht in der Wüste. Übrigens, wir haben schon etwa 5.200 Kilometer mehr auf dem Tacho, dazu kommen noch ca. 800 km Seeweg, nicht schlecht, oder?!

Salam
Heidi Bisang

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2Mai/10Off

Interessanter Artikel

Viele Grüße vom Isfahaner Sonntag sendet der Scheff - mit einem interessanten Link: http://www.spiegel.de/spiegelgeschichte/0,1518,686974-3,00.html

Und: wunderbare Fotos aus Isfahan von Anatoli (eingefügt unter dem Artikel "Türkei-Iran" vom 29. April). Danke!

Freiburg und die Welt grüßen die Isfahanis.
Sigrid Hofmaier

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29Apr./10Off

Teheran

Heutige SMS von Hans-Peter Christoph:
"Wir sind in Teheran und es regnet! Deshalb Superluft!"

Den Reisenden geht's gut. Und die daheimgebliebene Blogmasterin kann aufgrund ihres Reisetagebuchs der ersten Avanti-Iran-Fahrt 2005 tatsächlich das gesuchte traditionelle Restaurant finden ;-). Morgen geht's weiter in die Freiburger Partnerstadt Isfahan. Eine Reise zum zehnjährigen Jubiläum der Partnerschaft im roten Bus gibt's dann im August 2010. Es gibt noch Plätze...

Sigrid Hofmaier

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29Apr./10Off

Türkei – Iran

Zunächst noch ein Nachtrag zur Türkei, denn inzwischen sind wir schon im Iran. Manches ist wirklich besser in der Türkei als bei uns, z.B. gibt es ein hervorragend ausgebautes Straßennetz, die meisten Landstraßen vierspurig ausgebaut mit Mittelstreifen, ähnlich wie bei uns die Autobahnen. Denn Fernreisen finden mit höchst modernen Autobussen statt, nicht mit Zügen. Wir kamen durch Kayseri (ehemals Caesarea, interessant, dass Caesar im Türkischen auch zum Kaiser wurde), eine Stadt von ca. 300.000 Einwohnern in Kappadokien. Todschicke Straßenbahnen, viel eleganter als die unseren. An jeder Ampel leuchtet über den drei Farben rot, gelb und grün ein weiteres Licht, das die Sekunden angibt, die die Ampel noch grün bzw. rot ist. Das sorgt für erheblich entspanntere Aufenthalte, wenn man an der Ampel warten muss. Wie beim Start einer Rakete wird rückwärts gezählt: 5, 4, 3, 2, 1 und bei Null springt die jeweils andere Farbe an.

Toiletten sind ein Thema für sich. Klopapier ist unbekannt – außer in den Hotels. Bei den Sitzklos gibt es eine Wasserdüse, die man einschalten kann und die das Klo gewissermaßen in ein Bidet verwandelt. Die Reinigung findet statt mithilfe dieses Wassers und der linken Hand (weshalb sie auch die „unreine“ ist). Seit Ostanatolien gibt es (außer in den Hotels) nur noch Stehklos – an Raststätten eigentlich viel hygienischer als die Sitzklos. Da heißt es dann Hosenbeine hochkrempeln und ZIELEN, damit es nicht spritzt! Ein Töpfchen Wasser unter einem Wasserhahn steht bereit zur Reinigung. Wir dreckigen Ausländerinnen ziehen Tempotaschentücher vor.

Überwältigend aber ist die Freundlichkeit und Gastfreundschaft der Menschen. Auch diejenigen, die bei uns kaum ähnliche Erfahrungen gemacht haben dürften, zahlen uns nicht etwa mit gleicher Münze heim, sondern beschämen uns mit ihrer Liebenswürdigkeit.

26.04. Montag 
13. Tag Dogubeyazit – Täbriz

Die Nachtruhe war um 5 Uhr beendet, Abfahrt um 6, denn es war nicht sicher, wie lange wir an der Grenze brauchen würden. Zunächst mussten wir mindestens eine halbe Stunde Schlange stehen, um den türkischen Ausreisestempel zu bekommen. Dann hinein ins Niemandsland zwischen den Grenzposten. Nun mussten wir Frauen unsere Kopftücher aufziehen. Großes Gejuchze: jede hatte ihren eigenen Stil, einige wickelten sich eine Art Turban um den Kopf, andere drapierten ihr Tuch mehr oder minder elegant (ich eher minder, bis ich gestern Abend drauf kam, dass die Turbanlösung wohl die beste ist). Vorher hatten wir uns schon über den Po reichende und langärmelige Blusen, Jacken oder extra für diesen Zweck erworbene „Manteaus“ angezogen. Und es hieß die Uhr umstellen, von halb acht (in Deutschland halb 7) auf 9 Uhr. Dann dauerte es nochmal bis etwa 12 Uhr, bis wir alles hinter uns hatten.

Hier im Niemandsland empfing uns auch Reza, unser Gottesgeschenk von Reiseleiter. Er hat in Deutschland studiert und spricht sehr gut deutsch. Ein rührender Mensch, ungeheuer besorgt um uns und sich um jeden einzelnen freundlich kümmernd. Das ist auch nötig, denn wenn es in der Reisebeschreibung hieß, dass wir „nichts, aber rein gar nichts mehr zu lesen vermögen“, dann bedeutet das, dass wir nicht einmal die Zahlen lesen können!!!! Also auch nicht, was etwas kostet! Wie soll man da handeln können? Denn das ist in diesen Ländern geradezu Pflicht. Mal abgesehen davon, dass 20.000 Rial etwa 1,30 Euro wert sind und wir uns schwer tun mit den vielen Nullen. Dieses Gefühl der totalen Abhängigkeit ist schon ganz schön nervend. Ich kann jetzt nachfühlen, wie es Frauen gehen muss, die als Anhängsel ihrer Männer nach Deutschland kommen, kein Deutsch lernen dürfen, weil sie im Hause gehalten werden, und sich praktisch gar nicht alleine bewegen können. Reza ermahnte uns daher auch, uns nicht alleine zu bewegen, sondern immer als Gruppe, und schon gar nicht nach Einbruch der Dunkelheit. Bloß keine Wertsachen bei sich haben, Geld nur in kleinen Mengen und gut versteckt. Übrigens: Frau gibt einem Mann nicht die Hand und fragt auch auf der Straße nur Frauen nach dem Weg!

Aber zunächst kam die Fahrt nach Täbris. Die Landschaft West-Aserbeidschans ist in der Tat atemberaubend. Zunächst fuhren wir über eine baumlose, kaum bewohnte und nicht bewirtschaftete Hochebene, die zu beiden Seiten in der Ferne durch erodierte, nicht sehr hohe Berge begrenzt war. Da es geregnet hatte, waren die Wiesen saftig grün und blühten zum Teil schon, selten eine Schafherde, noch seltener ein Dorf. Manchmal ein einzelner Mensch oder zwei, die etwas suchen. Reza erklärt: Es gibt hier wilden Sellerie, Safran, Rosmarin und andere Kräuter, vor allem Heilkräuter, die von den Leuten gesucht werden. In den meist armseligen Dörfern einstöckige Lehmbauten, die man aber nur teilweise sehen kann, weil jedes Gebäude noch einen großen Hof hat, der durch eine haushohe Lehmmauer umgrenzt ist. Dies ist der Ort, an dem die Frauen sich auch einmal ohne Kopfbedeckung oder Tschador im Freien bewegen dürfen.

Langsam wird die Landschaft hügeliger, die Berge am Rand höher und teilweise schneebedeckt. Man sieht jede Falte und Schicht dieser Karstgebirge, die in der Abendsonne in den unterschiedlichsten Farben von Ocker über Rot bis Braun glühen. Die Ebene zwischen den Bergen ist jetzt nicht mehr grün, sondern Steppe. Ab und zu eine Oase mit Dorf, mit Feldern und sogar Bäumen. Wunderschön. Die Thadeuskirche, die wir unterwegs besichtigen, ist ein armenisches Heiligtum, wo sich jedes Jahr im Juni Armenier aus aller Welt versammeln. Sie heißt auch schwarze Kirche, weil bei ihrem Bau auch schwarzer Stein verbaut wurde.
Wir trafen dort auf eine Schulklasse von 13-/14jährigen Mädchen, bezaubernd anzusehen in ihren dunkelgrünen Schuluniformen und hellgrünen Kopftüchern, zunächst sehr schüchtern, dann aber zutraulicher, sodass wir sie auch fotografieren durften. Großes Gekicher, viel Neugierde, wenige Brocken Englisch. Ganz anders die Schulklassen der schwarz gekleideten Mädchen, die wir heute im aserbaidschanischen Museum antrafen. Die waren überhaupt nicht schüchtern, sondern fanden unsere Aufmachung offensichtlich ungeheuer komisch (das ist sie auch, wenn man sie mit der Kleidung der meist schwarz gekleideten anderen Frauen hier vergleicht), lachten schallend los und konnten sich kaum beruhigen, kamen auf uns zu und wollten unbedingt mit uns fotografiert werden. So oft wie heute, sagt Heidi, sei sie in ihrem ganzen Leben noch nicht fotografiert worden. Jetzt werden die Kinder zu Hause zeigen können, was für merkwürdige weibliche Clowns sie unterwegs getroffen haben. Ich konnte eine von ihnen dazu bewegen, auch eine Aufnahme mit meiner Kamera zu machen, sodass auch ich etwas zu zeigen habe.

Täbris ist eine Millionenstadt mit abenteuerlichem Verkehrsaufkommen. Die Autos fahren wie in Neapel, wenn ihr wisst, was ich meine. Wir hatten beim Hineinfahren das Gefühl, uns stundenlang durch einen Stau zu mühen – bis der Scheff uns erklärte, dass Reza uns wirklich großartig um den eigentlichen Stau herumgeleitet hätte! Zebrastreifen überquert man scheinbar nur unter Lebensgefahr, aber letztlich halten die Autos dann doch. Die Straßen voll mit Menschen, hier wie auch in der Türkei sieht man Männer mit kleinen Kindern auf dem Arm und sogar Kinderwagen schiebend. Die meisten Frauen mit schwarzen Tschadors. Schuhe werden in kleinen Werkstätten auf dem Bürgersteig repariert! Es gibt einen großen Park mit einer hohen Mauer drum herum, der ausschließlich Frauen vorbehalten ist. Hier dürfen sie ihre wallenden Gewänder, Kopftücher etc. ablegen, joggen oder sich anderweitig vergnügen.

Heute im aserbaidschanischen Museum sehr schöne Artefakte aus dem 1. vorchristlichen Jahrtausend, hergestellt von Sassaniden, Parthern und anderen Völkern. Ich werde ein paar Bilder schicken. Außerdem die blaue Moschee aus dem 15. Jahrhundert, die so heißt, weil sie ursprünglich vollkommen blau verkachelt war. Ca. 300 Jahre nach ihrem Bau allerdings gab es ein 2 m hohes Hochwasser, was die unteren Kacheln zerstört hat, ein Erdbeben im 18. Jahrhundert schuf weitere Zerstörung, auch der Minarette, von denen nur noch die Basis steht. Sie galt aber mal als die schönste Moschee der Welt.

Danach der Besuch des Bazars, sehr lebendig, aber für mich nur kurz, ich musste mich mal wieder abseilen, und dieser Tatsache verdankt ihr meinen Bericht von heute. Aber was es da alles zu kaufen gibt! Silberne und güldene Spiegel (riesig und klein) mit abenteuerlichen Verzierungen, glitzernde Kleider und Schuhe, Haushaltswaren, Hühnerbeine oder ganze Tiere usw. Köstliche Nüsse und Trockenfrüchte, und die üblichen orientalischen Süßigkeiten. Aber Kitsch as Kitsch can!

Erleichterung: im Hotelzimmer darf frau sich endlich des heißen und (trotz Haarwäsche) juckenden Kopftuchs entledigen! Und morgen heißt es wieder um 6 Uhr aufstehen: Die Fahrt nach Teheran steht an.

Eigentlich ist dies das Ende meines vierten Berichts, aber auf dieser Reise kommt manches anders als man denkt. Heute Morgen um 8 Uhr war die Abfahrt von Täbris nach Teheran. Nach etwa anderthalb Stunden wurden wir von einer Polizeistreife auf der Autobahn angehalten. Angeblich war der Bus 120 gefahren, wo man nur 100 fahren durfte. Nur: der Bus ist gedrosselt und KANN gar nicht schneller als 100 fahren. Reza versuchte, das zu erklären, worauf der Polizist die Tachoscheibe sehen. Aber unser Bus ist so modern, dass er gar keine Tachoscheibe mehr hat, weil ab 2006 alle neu zugelassenen Fahrzeuge einen digitalen Tachographen brauchen. So weit sind die hier aber noch nicht, so dass sie nichts damit anfangen können. Ergebnis: Wir mussten hinter dem Polizeiwagen wieder zurück nach Täbris fahren, wo wir um 12 Uhr ankamen. Seither warten wir darauf, dass der Scheff mit Reza vom Amt wieder zurückkommt, aber eben – um halb drei! – kam der Anruf, dass sie mit dem Taxi auf dem Wege seien. Inzwischen stand der Bus vor einer Polizeiwache, und wir waren in einen Park gegangen, haben dort herumgesessen und gewartet. Hoffentlich wird es bald losgehen, vor Mitternacht dürften wir kaum in Teheran sein.

Viertel vor drei: der Scheff ist da mit einem Arm voller Brotfladen, denn zu Essen gab es die ganze Zeit natürlich fast nichts, außer ein paar Keksen. Während der Bus sich wieder durch das Täbrizer Verkehrschaos wühlt, erzählt er: Zwar sei die Reise als Ganze genehmigt gewesen, beim Grenzübertritt sei jedoch nur eine Genehmigung bis Täbriz erteilt worden, bzw. es hat halt ein Stempel auf dem Formular gefehlt. Es bedurfte mehrerer Telefonate mit Teheran, um die Bestätigung zu bekommen, dass wir tatsächlich durch den ganzen Iran fahren dürfen. Außerdem gibt es seit 8 Monaten eine neue Bestimmung: Busse müssen an jeder Polizeikontrolle anhalten und sich wieder einen Bestätigungsstempel holen. Dies gilt auch für iranische Busse. Aber immerhin: es ist jetzt drei Uhr und wir fahren wieder. Bald wird es Brotfladen geben mit den Resten von Käse vom letzten Picknick (rationiert natürlich, denn viel ist nicht mehr da), aber wir sind zufrieden, die Stimmung ist ausgezeichnet, die von mir zu Beginn vermutete Flexibilität der Mitreisenden hat sich bestätigt.
Um 23 Uhr kamen wir am Hotel an, bekamen noch eine Suppe und ein Salatbüffet, um Mitternacht war ich schließlich in meinem Zimmer, wo ich den Lichtschalter ohne Hilfe des Hotelboys nicht gefunden hätte, aber Wlan gibt es, und so kann ich dies endlich wegschicken.

Barbara Volhard

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27Apr./10Off

Heißluftballon über Tuffstein

Liebe Leute,

jetzt wo unsere Shanghai-Reisenden im iranischen Satellitenloch verschwunden sind (es ihnen aber sicher sehr gut dort geht), habt ihr Zeit, euch die tollen Fotos von Klaus Ehrmann anzuschauen: Per Heißluftballon über Kappadokien. Die gibt's beim Beitrag "Kappadokien - Ostanatolien" von Barbara Volhard (25. April). Einfach nach unten scrollen oder diesen >>Link<< folgen...

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Und da soll man nicht neidisch werden???

Sigrid Hofmaier

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26Apr./10Off

Türkei – Iran

Anruf vom Scheff um 8.30 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit: Die Reisenden sind schon fast im Iran, müssen nur noch einige Grenzformalitäten abwickeln. Dort ist es 11 Uhr - also 2,5 Stunden später als bei uns. Bei der Chinareise vor zwei Jahren gab es bei den Daheimgebliebenen einige Aufregung, weil der Bus tagelang an der iranischen Grenze zu stehen schien. Dabei waren die Seidenraupen schon längst unterwegs. Es könnte jetzt also auch so sein, dass das GPS-Signal im Iran nicht funktioniert. Wir halten euch weiter auf dem Laufenden.

Sigrid Hofmaier

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25Apr./10Off

Plaudereien aus dem Nähkästchen

Liebe Fangemeinde,

unsere BlogschreiberInnen beschreiben Euch die vielen wundervollen Städte und Landschaften, die wir (buchstäblich) erfahren dürfen. Ich plaudere heute ein bisschen aus dem Nähkästchen und erzähle Euch, wie wir zusammen leben und was sonst noch alles passieren kann.

Der Bus

Im Prospekt zur Reise ist zu lesen, dass der Bus zur guten Stube wird. Na ja, hab’ ich gedacht, da übertreibt der Scheff wohl ein bisschen. Aber es stimmt: Der Bus ist unsere Wohnstube, unser Schlafwagen, unser Café. Kurz gesagt: Er ist die Konstante in unserem momentanen Nomadenleben. Da gibt’s Diskussionsrunden und Leseecken samt Bücherkiste für die Leseratten. Wir werden liebevollst umsorgt von Ina, sie kocht Kaffee für alle. Biskuits (Mailänderli, von einer Dame zum Abschied in Freiburg an den Bus gebracht, sie waren supergut, Danke!), Konfekt oder Pralinen gibt’s auch dazu. Das häufigste Geräusch im Bus ist „klick“, wenn alle an den Fenstern hängen und fotografieren.

Die Chauffeure

Über unsere beiden Chauffeure Hans-Peter und Stefan können wir nur Lobendes berichten. Sie sind hochprofessionell, fahren ruhig und gekonnt. Wir fühlen uns sicher wie in Abrahams Schoß. Der Bus wird auf jeder Etappe außen und innen geputzt, er glänzt immer im schönsten Ferrari-Rot. Das verlange die Chauffeuren-Ehre, dass ein Bus immer gepflegt auf Reisen gehe, wurde ich aufgeklärt, als ich zu Beginn einmal bemerkte, das störe doch nicht, das bisschen Staub auf dem Auto. Mittlerweile bin ich aber stolz in einem solch sauber glänzenden Auto durch die halbe Welt gefahren zu werden. Kaum halten wir an einer Tankstelle oder Raststätte an, sind wir umringt von Neugierigen, die sich die aufgemalte Route anschauen und dann ungläubig lachen oder den Kopf schütteln, wenn wir erklären, dass wir wirklich diese ganze Strecke fahren werden.

Die Straßen

Bis jetzt waren alle Straßen gut bis sehr gut. Wir sind meist besser und schneller vorangekommen, als der Scheff geglaubt hat. Die Straßen wurden früher und besser ausgebaut, als selbst er es für möglich gehalten hat. Auer in den Großstädten sind wir oft fast alleine unterwegs. Bis jetzt haben wir ein einziges Mal 2 Stunden im Stau gestanden. Der Grund: ein Horror Unfall. Kurz nach Ankara sind sich etliche Lastwagen in die Quere gekommen, darunter ein Tankwagen der wohl explodiert ist. Die Unfallstelle war ein einziger Autofriedhof mit 5 - 6 total ausgebrannten Lkws. Schrecklich!!! Wir waren glücklich und froh, nicht darin verwickelt gewesen zu sein.

Das fahrende Volk

Wie meist auf solchen Reisen, gibt’s auch bei uns einen Damenüberschuss, im Verhältnis etwa 14 zu 10 (das ändert sich auf verschiedenen Etappen). Wenn Ihr nun denkt, es gäbe „Zickenalarm“, muss ich Euch enttäuschen: Bei uns geht’s ganz normal zu. Nach anfänglichem Beschnuppern sind wir in den 10 Tagen, die wir nun unterwegs sind, zu einer Freiburg-Shanghai-Familie zusammengewachsen. Wir haben unsere Mödeli (Macken wäre zu viel gesagt) kennengelernt und akzeptieren sie. Toleranz wird bei uns ganz groß geschrieben. Jedwelche (extrem seltene) Unstimmigkeiten werden sofort aus dem Wege geräumt.

Die Hotels

Da muss ich unserer Reiseleitung ein ganz großes Lob aussprechen. Der Scheff hat uns immer im bestmöglichen Hotel im Zentrum des jeweiligen Ortes untergebracht. Wir können alle Orte zu Fuß erkunden. Dass zuweilen eine Dusche rinnt, eine Lampe nicht brennt, die Heizung nicht an oder nicht abgeschaltet werden kann, nehmen wir grinsend zur Kenntnis, wir sind schließlich im Orient und haben uns alles viel schlimmer vorgestellt. Wir sind aufs Angenehmste überrascht. Apropos Vorurteile: Während dieser Tagen in der Türkei mussten wir unsere Vorurteile von Tag zu Tag revidieren. Die Städte sind sauber und gepflegt, es liegt kein Dreck rum, es stinkt nicht, die Menschen sind freundlich und hilfsbereit, wir können uns gerne eine Scheibe davon abschneiden. Wirklich armselig ist uns nur das „wilde Kurdistan“ erschienen. Ein großes, weites, karges Hochland, landschaftlich traumhaft, aber halt höchstens zur Viehhaltung zu nutzen. Industrie scheint vollständig zu fehlen und der Tourismus ist praktisch inexistent.

Dies & Das

Da gibt’s diese Dame in unserer Gruppe, die kurz nach 7 Uhr erwachte. Also rasch in die Dusche und in die Kleider. Ein Kontrollblick auf die Uhr zeigt es ist kurz vor 1 Uhr!! Im Halbschlaf und Halbdunkel hat sie den großen mit dem kleinen Zeiger verwechselt. Das Gelächter am Frühstückstisch war groß.

Oder da gibt’s eine Reisegenossin, die in Thessaloniki vor dem Schlafen die Uhr nochmals um eine Stunde vorstellt (der letzte Ouzo war wohl einer zuviel) und darum die Reisegenossin im Zimmer nebenan statt um 7.15Uhr um 6.15 aus dem Tiefschlaf holt, um das Wärmepflaster gegen den Hexenschuss aufzukleben. Es tut ihr jetzt noch leid.

In Istanbul musste ein Ehepaar um das einzige Deckbett kämpfen, Motto: Eine/r friert immer. Dem konnte abgeholfen werden mit einer zweiten Decke für die nächsten beiden Nächte. Im selben Hotel hat eine der Damen wegen der dünnen Decke ganz fürchterlich gefroren, bis sie früh um 5 Uhr dann merkte, dass der vermeintliche Matratzenschoner die Zudecke war. Die letzten 2 Stunden (und folgenden Nächte) hat sie dann mollig warm gebettet das Bett genießen können.

Noch ein Müsterchen gefällig? Wir sind auf der Ausfahrt aus Istanbul, als einer unserer Mitreisenden seinen Pass vermisst. Große Aufregung, Ina telefoniert ins Hotel, ob der Pass noch dort liege. Chauffeur Stefan geht mit ihm im Gepäckraum nachsehen, da ist er auch nicht. Schließich findet sich der Pass in der Brusttasche der Jacke, dort wo er schon immer war, diesmal aber nicht gleich greifbar, weil noch ein Schal dazwischenlag. Die Erleichterung ist enorm…

Und da hätte ich noch eine Hüsli/Klo/WC-Geschichte. Ich gebe es ungern zu: Sie ist mir passiert. Ihr wisst es alle, wir sind im Land der Steh-Schisselis (Steh-Toiletten) und beim letzten Halt vor dem Etappenziel also musste ich ganz dringend (wenn immer möglich schonen wir unser WC im Bus, weil die Entleerung auf unserer Route schwierig ist). Also die Hose, den Bauchladen (mit der gesamten Barschaft) und die Unterhose zusammenhalten und ab in die Hocke. Da habe ich wohl eine Lage zu wenig gehalten und mir so prompt in die eigene Unterhose gepieselt. Im Vorraum musste ich dann alles ausziehen und die Unterhose entsorgen – selbstverständlich unter großem Gelächter meiner Reisegenossinnen. Sie haben mir einen Stehbrünzlikurs empfohlen!! Ich bin am Üben.

Weil wir schon bei den WC-Geschichten gelandet sind: In den großen Raststätten oder Tankstellen gibt’s oft ein WC für Behinderte und da gehen wir wenn möglich hin, da hat’s nämlich eine WC-Schüssel, wie wir sie gewohnt sind. Diese WCs sind immer tipptoppsauber (auch so ein Vorurteil, das wir ablegen konnten). Bei den kleinen Tankstellen oder Beizlein wird’s dann aber stinkig und grauslich.

Zum Schluss noch ein Happy-End-Geschichtlein: Gestern bei Ankunft lag da der Pass unserer Reisegenossin, die sich den Pass mit den Visa nachschicken lassen musste. Normalerweise ist das kein Problem, wer hätte schon gedacht, dass ein Vulkan in Island die gesamte Luftfahrt lahmlegt. Die Luftfahrt läuft wieder und so kam gestern auch der letzte Pass angeflogen. Juhui, die Reise kann für alle weitergehen.
Das wär’s für heute, ich grüße Euch alle ganz herzlich vom Fusse des Ararat, er hat sich uns heute nach dem Frühstück zum ersten Mal gezeigt – eine absolute Wucht.

Heidi Bisang

(Anmerkung der Blogmasterin: Heidi ist Schweizerin und sie hat mich gebeten, die „Helvetismen“ aus ihrem Blogbeitrag zu tilgen. Bis auf zwei hierzulande wirklich unbekannte Begriffe habe ich das nicht getan. Und das ist gut so. Was hätten wir denn im Hochdeutschen so anschaulichen Wörtern wie „Stehbrünzlikurs“ entgegenzusetzen??? Na also! Ich liebe diese Sprache. Und ihr LeserInnen hoffentlich auch ;-).)

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25Apr./10Off

Kappadokien – Ostanatolien

21.04. Mittwoch 
8. Tag Istanbul – Ürgüp/Kappadokien

Das Wetter ist einfach lausig. Regen und Affenkälte. Von der interessanten Tuffsteinlandschaft sehen wir erst mal nichts. Aber das Hotel ist bezaubernd. Wir wohnen um einen Innenhof mit Schwimmbad herum, und unter den Arkaden, die vor unseren Zimmern sind, kann man sogar regensicher sitzen. Das wieder mehrgängige (und uns langsam überfordernde) Abendessen findet in dem Hotelrestaurant statt, das den Gewölben der in den Fels gehauenen Wohnungen nachempfunden ist, sehr geschmackvoll nur mit Teppichen geschmückt, Feuer im Kamin usw.

22.04. Donnerstag 
9. Tag Kappadokien

Das Wetter immer noch unsicher, aber es klart auf, und wir erleben nun diese phantastische Landschaft. Wie die zustande gekommen ist, könnt ihr ergoogeln. Als erstes besichtigen wir eine der unterirdischen Städte. Hier fanden im 11. und 12. Jahrhundert Tausende von verfolgten Christen Schutz. Die Stadt, die wir besichtigten, ging 6 Stockwerke in die Tiefe, von denen ich allerdings nur die ersten zwei sehen konnte. Danach wurde es zu steil. Winzige Kammern, ein ausgeklügeltes Belüftungssystem mit Schächten, die nach oben gehen, Brunnen, die mehrere hundert Meter tief sind, winzige Kammern, in denen ich gerade noch stehen konnte, alles in den Stein gehauen! Aber wir erfuhren, dass die Leute damals keineswegs kleiner waren als wir heute: aus Skelettfunden weiß man, dass sie z.T. 1,80 m groß waren, also sich oft bücken mussten, genauso wie wir, wenn wir durch einen der Tunnel ins nächste Stockwerk klettern mussten. Diejenigen, die tiefer gegangen sind, erzählten, dass sie z.T. hätten kriechen müssen. In dieser Stadt konnten sich bis zu 4000 Menschen (!) verstecken und, da sie dort Vorräte gelagert und auch Zugang zu Wasser hatten, eine Weile überleben. Der Zugangstunnel konnte durch einen einzigen Stein so verschlossen werden, dass er von außen nicht zu öffnen war. Solche Städte gibt es mehrere, sie sind durch unterirdische Tunnel miteinander verbunden, von denen der längste, den man gefunden hat, 25 km lang ist! Diese Städte wurden meist im Winter gegraben, weil dann der Aushub durch Schnee verdeckt und daher vom Feind nicht entdeckt werden konnte.
Bis heute werden diese in den Bimsstein gehauenen Höhlen als Lagerungsstätten für Kartoffeln, Obst und Gemüse genutzt, denn die im Winter wie im Sommer konstante Temperatur von etwa 12° sorgt für eine lange Haltbarkeit. Bis heute gibt es auch noch bewohnte Wohnungen, die wenigstens zum Teil in den Fels gehauen sind.

Am Nachmittag wagten sich einige auf die Wanderung, denn das Wetter schien zwar bewölkt, aber stabil. Pustekuchen: ganz am Schluss gerieten sie doch noch in den Hagel-schauer, den wir im Hotel ungläubig aufs Schwimmbad niedergehen sahen. Aber wenigstens saßen wir im Trockenen.

Am nächsten Tag – endlich schien die Sonne, auch wenn es noch immer ziemlich kalt war – fuhren wir nach Göreme und besichtigten in den Fels gehauene Kirchen mit wunderbar erhaltenen Fresken aus dem 11. und 12. Jahrhundert.

23.04. Freitag 
10. Tag Ürgüp – Sivas

Ihr seht schon, die Reihenfolge der Dinge ändert sich manchmal, in diesem Fall wetterbedingt. Und meine Fähigkeit, ausführliche Berichte zu schreiben, ändert sich auch. Denn mindestens bei uns Älteren (der älteste ist 79 Jahre alt!) stellen sich langsam Ermüdungserscheinungen ein. Die Reise ist doch recht anstrengend, auch wenn der Bus wirklich komfortabel ist, aber die langen Fahrten und die unglaubliche Menge an neuen Eindrücken, die zu verarbeiten man kaum Zeit findet, fordern ihren Tribut. Man will abends nur noch alle Viere von sich strecken und nicht mehr am Laptop sitzen. Während ich dies alles schreibe, sitze ich bereits in Dogubeyazit, während die anderen auf ihrer Wanderung zum Ishak-Pascha-Palast sind, und ich bin sicher, dass ich vieles aus den vergangenen Tagen, die ich hier beschreibe, bereits wieder vergessen habe. Ich kann nicht versprechen, dass ich meine Berichterstattung aufrechterhalten kann.

24.04. Samstag 
11. Tag Sivas – Dogubeyazit

Wunderbares Wetter! Wir fuhren durch Hochebenen zwischen Dreitausendern und über mehrere Pässe, die 2200 und 2300 m hoch sind und freuten uns schon auf den ersten Blick zum fast 5200 Meter hohen Ararat. Aber dann fing es doch wieder an zu regnen, und auch am nächsten Morgen war das Wetter noch trüb. Die kurdischen Dörfer an der Strecke unglaublich armselig, einstöckige winzige Gebäude mit Fenstern die geschätzte 50 cm breit und hoch sind, die Häuser gedeckt mit Plastikplanen, die von Autoreifen beschwert werden, aber jedes hat ein Fernseh-Schüssel! Wahrscheinlich das einzige Vergnügen im harten Leben der Menschen hier.

25.04. Sonntag 
12. Tag Dogubeyazit

Gegen 10 Uhr klarte es doch auf, und wir konnten den Ararat sehen, der über den Wolken zu schweben scheint. Und morgen früh müssen wir schon um 6 Uhr losfahren!!! Keine Ahnung, wann ich wieder ins Internet komme, also dies erstmal bis dann....

Barbara Volhard

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22Apr./10Off

Istanbul

Also Istanbul. Eine Riesenstadt mit offiziell ca. 12 Mio Einwohnern, tatsächlich wahrscheinlich eher 15 Mio, denn sie wächst unaufhörlich wegen der Landflucht und dehnt sich etwa 150 km weit aus. Wenn man sich ihr nähert, sieht man vor allem endlose Viertel von Hochhäusern, aber auch Industriegebiete, die – ähnlich wie bei uns im Mittelalter – noch ganz nach Gewerben sortiert sind. Also Gebiete, in denen nur Eisen verarbeitet wird oder nur Autoreifen usw.
Natürlich lief nicht alles, wie in der Reisebeschreibung vorgesehen. Aber darauf waren wir alle mental vorbereitet, bei einer solch abenteuerlichen Reise KANN einfach nicht alles nach Programm ablaufen. Schön war, dass niemand daran Anstoß nahm, die Stimmung blieb ausgezeichnet.

Wir kamen nach abenteuerlichen Fahrkunststücken HP Christophs durch engste und vollgestellte Gässlein und noch engere Kurven in unserem Hotel an: eine Reihe von antiken, restaurierten Holzhäusern, die in einer kleinen Gasse liegen, die den Topkapi Palast von der Hagia Sophia trennt. Mittendrinner geht’s nicht. Innen mit altem Mobiliar (Messingbetten) und mit schönen Teppichen ausgestattet. Der Blick aus dem Fenster geht über die Türme und Türmchen mit goldglänzenden Spitzen des Topkapi Palasts, die Minarette der Hagia Sophia bis zum Goldenen Horn, der Meeresbucht in der Ferne. Wunderschön. Allerdings: Die Schiebefenster lassen sich nicht so recht hochschieben, davor sind nochmal hölzerne Gitter, damit der muslimische Mann die muslimische Frau dahinter aber auch ganz bestimmt nicht zu sehen bekommt, und wenn man die hochschiebt, dann bleiben sie vielleicht für einen Moment oben, knallen aber dann herunter. Und wenn du dann deinen Kopf rausgestreckt hast, dann kriegst du das Ganze in den Nacken. Das passierte Inge, sie musste ins Krankenhaus, an Ober- und Unterlippe genäht werden, und unser Programm wurde halt ein wenig geändert.

Zunächst gab es ein opulentes Abendessen mit fünf Gängen in einem riesigen Gewölbe aus dem 6. Jahrhundert. Interessantes Mauerwerk: sehr dünne bzw. schmale, sehr lange Ziegel mit einer erstaunlich dicken Mörtelschicht dazwischen, d.h. der Mörtel ist etwa so dick wie die Ziegel. Das Ganze etwa zwei Stockwerke hoch, aber das kleinteilige Mauerwerk sorgt dafür, dass die Sache ausgesprochen elegant aussieht und nicht so klobig, wie wir alte Gemäuer kennen.

Am nächsten Tag bekamen wir einen Führer, der zwar sehr viel wusste, uns aber auch mit diesem Wissen, vor allem Jahreszahlen, zudonnerte, sodass ich jetzt fast nichts mehr weiß von dem vielen, das er uns erzählte. Außerdem hat er seine Verachtung vor allem der weiblichen Reisenden nicht verbergen können, sodass ich (und nicht nur ich) nicht allzugut auf ihn zu sprechen bin. Jedenfalls führte er uns durch den Topkapi-Palast, der zu meiner Überraschung keineswegs nur ein Palast ist, sondern ein riesiges Gelände von der Größe Monacos mit vielen Gebäuden drin, darunter die Irina-Moschee, ein Küchengebäude, in dem einst für Tausende gekocht wurde, ehemalige Regierungsgebäude, Krankenhaus, Schatzkammer usw. - heute natürlich alles Museum. Denn ursprünglich war der Palast eine Art Stadt in der Stadt, ein Regierungsbezirk, der tatsächlich auch Tausende beherbergte. Um hineinzukommen musste man wie im Flughafen durch einen Security-Check mit Gepäck- und Körperkontrolle, und natürlich piepste das Ding, als ich mit meinen Krücken da hindurchging. Danach aber öffnete sich ein wunderschöner Park, in dem vor allem Tausende von Tulpen und Pfingstrosen blühten und an dessen Ende nach endlosem Marsch man einen Blick über den Bosporus nach Asien hin hatte. Im Übrigen fand dort auch gerade die Ausstellung des Moskauer Zarenschatzes statt, den wir ebenfalls besichtigen konnten.

Am Nachmittag ging es nach Eyüp, mit einer Moschee, die bis heute Wallfahrtsort ist und mit dem ältesten Friedhof der Stadt. Wir durften in die Moschee, die Frauen natürlich mit Kopftuch. Aber nix von den Bildern, die man aus dem Fernsehen so kennt mit hunderten von Schuhen vor der Moschee. Das wird heute äußerst modern gehandhabt. Man muss zwar seine Schuhe ausziehen und wandelt dann in Strümpfen auf Teppichen, aber man trägt seine Schuhe in einer Plastiktüte mit sich, die einem zur Verfügung gestellt wird und die man hinterher wieder abgibt. Drinnen sitzen reihenweise Frauen, z.T. mit Babies auf dem Schoß und beten. Man schleicht an ihnen vorbei und geniert sich.

Ein riesiger Friedhof, der sich einen ganzen Berg hoch zieht, wo Leute sich aber bis heute begraben lassen können. Statt Kreuzen gibt es Grabstelen, denen man nicht nur ansieht, ob hier ein Mann oder eine Frau begraben ist, sondern auch, welchen Beruf oder Rang der Mann gehabt hat (Frauen hatten „natürlich“ weder das eine noch das andere). Der ganze Bereich war wohl mal ein Kloster. Kloster, so lernten wir, sind orientalische Gründungen, die von den Christen später zwar übernommen wurden, aber in ihrem Charakter verändert. Ein orientalisches Kloster ist für jeden offen. Es besteht aus einer Moschee, einem Altersheim, einem Waisenhaus, einer Armenküche und einer Schule. Es ist also eher eine soziale Einrichtung. Bis heute, so erklärte uns unser Führer, seien die Altersheime solcher Einrich-tungen nicht überfüllt, weil -wie er süffisant anzumerken hatte - muslimische Familien ihre Alten selbst pflegten, was ja wir Europäerinnen nicht täten. Unsere Proteste ließen ihn kalt. Aber wir durften noch das Gebäude einer Armenküche besichtigen.

Danach hatten wir "frei". Ich lief noch ein bisschen herum um die Hagia Sophia und die blaue Moschee (beide besichtigten wir am nächsten Tag mit einem viel netteren und genau so klugen Führer) und machte Fotos. Das hätte ich nicht tun sollen. Denn abends fing mein Knie an zu mosern, ich konnte vor Schmerzen kaum schlafen und musste mich am nächsten Tag früher von der Führung abseilen, um mich hinsetzen zu können. Inzwischen laufe ich nur noch dann, wenn ich sonst etwas Wichtiges verpassen würde, einfach so Herumlaufen ist nicht mehr. So komme ich aber auch in den Genuss, manches beobachten zu können, was mir sonst vielleicht entgangen wäre.

Zum Beispiel der Ruf des Muezzin. Also nicht dass der mir sonst entgangen wäre, dem entgeht niemand! Vor allem zu gewissen Zeiten nicht, denn das geht nicht nach der Uhr, sondern der erste Ruf am Morgen findet statt zu der Zeit, „zu der man einen weißen nicht von einem schwarzen Faden unterscheiden kann“ (erklärte uns HP), also etwa zwischen halb vier und vier Uhr. Nun pflege ich von schweren Gewittern mit Blitz und Donner nicht aufzuwachen, aber der Muezzin ruft nicht nur, sondern hat unglückseligerweise auch ein Mikrofon samt Lautsprecher und Verstärker zur Verfügung, kurz, er ruft nicht, er dröhnt. Das kann Tote erwecken, vor allem, wenn du direkt neben dem Minarett wohnst! Da ich aber nun zum Sitzen verdammt war, hatte ich mir ein Café zwischen der Hagia Sophia und der blauen Moschee (Sultan-Ahmed-Moschee) ausgesucht. Dann fing so gegen 5 Uhr nachmittags der Muezzin der Hagia Sophia an zu singen. Sehr, sehr laut. Einige Minuten später gesellte sich der von der Blauen Moschee hinzu. Jetzt erwartete ich eigentlich eine Kakophonie, aber nein: Es entspann sich ein durchaus melodiöses Duett zwischen den beiden, nach einer Weile kam noch ein Dritter von etwas ferner dazu, und ich bekam ein veritables Konzert. Erstaunlich, es scheint, sie singen alle in der gleichen Tonlage, wodurch die Sache durchaus harmonisch wird. Aber laut, laut!!! Nun sollte man denken, jetzt springen alle auf und rennen in die Moschee oder knien wenigstens auf einem Teppich nieder und beten, aber nichts dergleichen. Alle im Café bleiben seelenruhig sitzen, andere drumherum gehen weiter ihren Geschäften nach, niemand kümmert sich. Merkwürdig.

Genug für heute. Mein Rücken tut weh. Dabei sind wir schon in Kappadokien.

Barbara Volhard

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