Im Reisebus von Freiburg nach Shanghai – auf der Seidenstraße um die halbe Welt
17Jul/10Off

Zum Nachhören: Avantibus in Shanghai

Jaja, schon drei Wochen her - aber auch jetzt noch höchst hörenswert: Heidi Bisang berichtet über Avanti Shanghai.

Teil 1 :

https://www.youtube.com/watch?v=fDEmY56jwUg

Teil 2:

https://www.youtube.com/watch?v=XJXZilDe-ys

Teil 3:

https://www.youtube.com/watch?v=rdwjefjGAOk

Interview vom SWR:

https://www.youtube.com/watch?v=y3c7awYXR5U

Sigrid Hofmaier

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17Jul/10Off

Heidi Bisang: Peking – Basel per Transsib

Liebe Bus- und Flugheimreisende Shanghainesen und – falls es noch welche gibt –
liebe BlogleserInnen,

unsere Bahnreise von Shanghai nach Peking hat mit einer Überraschung begonnen: Anstatt gegen Mittag sind wir bereits um 7 Uhr in der Frühe in Beijing angekommen. Ein superschneller, todschicker Zug neuester Bauart (à la TGV oder Shingkansen) hat uns innert 9 Stunden (statt 13 1/2) in die Hauptstadt „gebeamt“. Weil wir zu fünft zwei Viererabteile gebucht (und auch bezahlt hatten) konnten wir Che einladen mit uns im Schlafwagen zu fahren (er hätte sonst die Reise im Regelzug sitzenderweise überstehen müssen). Es war wie auf der Schulreise, das Gelächter war groß, bis wir – mit tatkräftiger Mithilfe von Che – unser Gepäck in der engen Kabine untergebracht hatten. Che haben wir vor dem Einschlafen dann Ohropax verpasst, auf dass er neben unserem Schnarch-Terzett auch zu ein paar Stündlein Schlaf kommen konnte.

Unsere Zimmer im Novotel waren schon bezugsbereit, also schnell unter die Dusche und ans sehr opulente Frühstücksbuffet. Schon kurz nach 10 Uhr haben wir uns auf die Socken gemacht, Beijing zu erkunden. Auf dem Trommelturm wurden wir für den mühsamen, steilen Treppenaufstieg mit einer Trommelvorführung belohnt. Fünf junge Männer haben auf den großen bis riesigen Trommeln unglaublich gut gespielt, ein Highlight schon in den ersten paar Stunden. Gegen Abend haben wir uns dann wieder mit Che getroffen und er hat uns in ein gutes Restaurant in einem Hutong (altes Wohnquartier) geführt. Ganz in der Nähe wohnte Dominique in einem entzückenden Hutong-Hotel. Dort haben wir sie zu einem „Schlummerbecher“ getroffen und unsere Pläne für die nächsten beiden Tage zu schmieden, die wir vier Omas zusammen mit Che verbringen wollten. Die Verbotene Stadt, den Tienanmen Platz, den Sommerpalast, den Himmelstempel und-und-und - alles haben wir uns angesehen. Es war zwar immer noch ziemlich feuchtheiß, aber wir konnten doch die Sonne sehen durch den Dunst. Beijing ist ganz anders als Shanghai: viel gemächlicher, behäbiger, eine Beamtenstadt halt. Das quirlige, nervöse Leben fehlt hier gänzlich. Dafür halten sich sogar die Taxifahrer an die Verkehrsregeln!! Wir wollten mal ein Taxi anhalten, keines hielt, da merkten wir, wir stehen an einer Straße mit Halteverbot, mussten dann etwa 10 Minuten bis zur nächsten größeren Kreuzung ohne Halteverbot gehen um mitgenommen zu werden! In Shanghai undenkbar. Um spätestens 23 Uhr fährt hier die letzte U-Bahn, dann werden die „Trottoirs hochgeklappt“, Peking geht dann schlafen.

Und wieder hieß es Abschied nehmen, diesmal von Dominique, Gabriele und Che. Auf uns vier (die de Baans, Waltrun und mich) wartete die

Transsibirische Eisenbahn

Pünktlich um 5.30 Uhr in der Frühe holte uns ein Fahrer ab, um uns zum Bahnhof zu bringen. Ausgeladen hat er uns samt unserem Gepäck allerdings auf der „falschen Straßenseite“, d.h. wir mussten unsere ganze Bagage über eine ellenlange Straßenüberführung (etwa 6 Spuren) wuchten, deren Rolltreppen nicht gingen („sorry out of order!!)“. Ich hätte heulen können. Der Zug hat uns dann allerdings sehr positiv überrascht. Zwei nebeneinander liegende Zweier Abteile mit gemeinsamer Dusche. Viel Plüsch und Spitzen, Vorhänge an den Fenstern. Wir wähnten uns im „Orient Express“ zu Agatha Christies Zeiten. Dass die Dusche nicht geht, haben wir dann erst viel später gemerkt.

Gegen 20.30 Uhr haben wir Erlian, den Grenzort zur Mongolei, erreicht. Lt. Schaffner hält der Zug hier zwei Stunden. Die Pässe sind abgegeben, also nichts wie los ins Bahnhofslädeli, um einkaufen zu gehen (Wasser und eine Flasche Wein als Schlummertrunk). Wie wir wieder rauskommen ist der Zug weg! Er wurde aus dem Bahnhof gezogen, um die Fahrgestelle auf die neue Spurbreite zu wechseln. So saßen wir dann – zusammen mit vielen anderen Reisenden – statt beim Schlummertrunk auf einem angeschraubten Stuhl am Bahnsteig (zum Glück so breit wie ein Platz) und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Pünktlich um 23 Uhr kam der Zug wieder angerollt, es konnte weitergehen zum Mongolischen Zoll ein paar Kilometer entfernt. Wieder Pass abgeben und warten, warten, warten. Die Toiletten waren alle geschlossen (weil „altes Direktsystem“) und wir hätten dringen gemusst. Waltrun konnte nicht mehr warten und hat unsere Dusche als Hüsli benutzt -  und da haben wir’s gemerkt: Die Dusche geht gar nicht! „Gespült“ hat sie dann halt mit dem Zahnbecher!!! Um 02.15 Uhr endlich Abfahrt gen Ulan Bator. Erwacht bin ich mitten in der Gobi, wunderschöner Sonnenaufgang (endlich mal wieder trockene Hitze). Um 9 Uhr haben wir uns aufgemacht gen Speisewagen und nicht schlecht gestaunt: Der schöne 30er Jahre-Wagen wurde in Erlian offensichtlich ausgetauscht gegen einen oberkitschigen „Nostalgie“-Wagen. Goldene Vorhänge, „handgeschnitzte“ Bänke mit Löwenköpfen aus Kupfer und Messing. Balalaika und Pfeil und Bogen an den Wänden. Eine Bar mit (leicht antikem) Ghettoblaster. Eine absolute Bombe. Das Frühstück aber gut: Spiegeleier mit Tomaten und Zwiebeln, Brot (endlich, nach fünf Wochen ohne!!), Butter und Gelée, Kaffee (sogar trinkbar) und Orangensaft. Das alles für knappe 10 Franken/7 Euro.

Ulan Bator ist keine schöne Stadt. Ein par Hochhäuser, viele Plattenbauten, Straßen mit Löchern so groß wie Badewannen. Im Hotel bekommen wir dafür Suiten! Die Dusche geht auch da nicht so richtig, entweder verbrühen oder kalt duschen heißt die Wahl.

Die Fahrt nach Karakorum am nächsten Tag war lang und eigentlich für die Katz. Es gibt nur einen Metallbogen mit Inschrift „Karakorum“ zu sehen, der über die Straße gespannt ist. Die Landschaft auf dem Weg dorthin ist allerdings sehr schön und das Jurtencamp wirklich hübsch: Etwa 20 Jurten, jede mit drei Bettlein, einem Tischlein und drei Stühllein, eingerichtet. Ich kam mir vor wie Schneewittchen bei den Zwergen. Alle Möbel mit typisch mongolischen Mustern bemalt.

Der Zug nach Russland (Irkuzk) entpuppte sich als Bummler, ohne Speisewagen. Wir hatten aber keinen Rappen mongolisches Geld mehr (und noch keine Rubel), um uns irgendwas an einem Bahnhof zu kaufen. Von 6 Uhr früh bis 14 Uhr standen wir am mongolischen Grenzübergang. Die Zollformalitäten waren in einer halben Stunde erledigt, wir mussten auf einen anderen Zug warten und dann fing das Rangieren an: Vom Gegenzug wurde Wagen um Wagen einzeln an unseren Zug angehängt. Die Toiletten im Zug waren geschlossen, wir bezahlten der Bahnhof-Toilettenfrau einen US-Dollar, damit wir zu dritt brünzeln gehen durften und uns endlich die Hände waschen konnten und die Zähne putzen (gekostet hätte es etwa 10 Rappen für alle). Bei einem fliegenden Geldhändler habe ich dann (viel zu teuer) zehn Euro gewechselt. Damit haben wir uns dann im nahen Märktlein Wasser, Wurst, Brot, Käse und Tomaten gekauft, unser Mittag- und Nachtessen samt Frühstück kurz vor Ankunft in Irkuzk am nächsten Morgen.

In Irkuzk wurden wir von Ludmilla, unserer Führerin, abgeholt, mit einem 15 plätzigen Bus samt Chauffeur, endlich genug Platz für unser Gepäck samt Velos. Nach Chinesisch und Mongolisch (Mongolisch ist noch unverständlicher als Chinesisch, die Mongolen haben „Knacklaute“ in ihrer Sprache, es tönt als ob alle Leute einen Sprachfehler hätten) kommt uns Russisch direkt „verständlich“ vor. Eine Stadtrundfahrt und einen Rundgang (jetzt sind wieder die Kirchen und Klöster dran) später sind wir dann Richtung Listvianka an den Baikalsee gefahren. Der See ist eine absolute Wucht. Glasklares Wasser (noch keine 10 Grad warm!!!) darum Wälder, Wälder, Wälder und ein paar wenige Dörflein. Russland/Sibirien pur. Strahlendes Wetter, aber im Schatten kühl – endlich brauchen wir wieder ein Jäggli.

Am nächsten Morgen sind wir dann mit einem Tragflügelboot in ein Dorf (Koty) etwa 20 km hinter Listvianka gefahren. Etwa 100 Bauern leben noch dort und der Rest sind Sommerfrischler, die in ihren Datschen oder Gästehäusern ein paar Tage Ferien machen. Das Dörfli sieht aus, wie sich der „kleine Moritz“ eine russische Siedlung vorstellt: Holzhäuslein mit geschnitzten Fensterrahmen, keine geteerten Wege, Kühe, Pferde, Hühner und Hähne, alles läuft frei herum. Eine Luft wie Champagner. Den am Dorfrand gelegenen Dorffriedhof haben wir uns auch angeschaut und dabei viel über die Beerdigungsbräuche in Russland erfahren.

Die Ausstellung, die wir uns im Limnologischen Institut angesehen haben, ist sehr informativ und gut gemacht, echt spannend, was der See so alles hergibt (ein Superlativ am anderen, unglaublich). Auch in Koty mussten wir natürlich das lokale Museümlein besichtigen. Die Leiterin ist Biologin und forscht am und im See. Als Nebenverdienst muss sie das Museum betreuen.So schlecht bezahlt sind die Wissenschaftler  dort offenbar.

Nach einem „freien“ Tag in Irkuzk stiegen wir um 23 Uhr in den Zug nach Moskau. Die zwei Zweier-Abteile wurden unsere Behausung für die nächsten drei Tage bzw. vier Nächte. Zeit zum Lesen und viel schlafen und noch mehr schauen. Nichts als Ebenen bis zum Horizont, mal Wälder (gesunde und tote), mal Sümpfe, mal Wiesen und selten mal ein armseliges Dorf. Waltrun genießt diese Einöde, Verena freut sich an jedem Blümlein und mich deprimiert diese Landschaft nur. Dahin kann man wirklich nur verbannt werden. Kaum ist der Ural passiert (übrigens völlig unspektakulär) spürt man: Wir sind in Europa. Die Dörfer werden bunter, die Zwiebeltürme sind vergoldet, das Leben hat uns wieder. Noch ein paar Stunden und wir sind endlich in

Moskau

Wieder hatten wir Glück: Obwohl wir schon kurz nach halb 6 Uhr morgens im Hotel angekommen sind, waren unsere Zimmer bezugsbereit. Die Zimmer sind schön und sauber, die Dusche funktioniert, das Frühstück ist opulent, Moskau, wir kommen! Schon um 9.30 Uhr hat uns Heidi, eine Freundin meiner Schwester, abgeholt samt Auto und Chauffeur. Sie hat uns ein wunderbares Moskau-Programm zusammengestellt und so können wir alle wichtigen Sehenswürdigkeiten in der kurzen Zeit (nur 2 1/2 Tage) besuchen. Zudem begleitet uns Nelli, eine kunstbegeisterte Reiseführerin, in den Kreml, auf den Roten Platz, in das Jungfrauenkloster samt dem nahe gelegenen Prominenten-Friedhof und in die Tretjakov-Galerie. Mit Heidi bestaunen wir die schönen Metrostationen, wir essen in gemütlichen Beizlein, die wir alleine nie gefunden hätten - kurz wir genießen jede Minute. Moskau ist eine Reise wert!

Und wieder trennen sich die Wege. Die de Baans fahren weiter nach Petersburg und wir zwei verbringen die Nacht im Schlafwagen Richtung

Warschau

Ein Taxi bringt uns ins Hotel, nachdem wir endlich den richtigen Ausgang im Bahnhof gefunden haben. Das Glück bleibt uns treu, mein Zimmer (Raucher) ist bereit. Wir können uns frisch machen und Waltrun kann ihr Gepäck bei mir deponieren. Um 10 Uhr starten wir zu einer Stadtrundfahrt inkl. einem Stadtrundgang. Eine nette, sehr kompetente Studentin führt uns zu allen wichtigen Plätzen in der Stadt. Endlich können wir wieder alles lesen. Hurra, die analphabetische Zeit ist vorbei! Alles sieht aus „wie bei uns“ oder jedenfalls so wie in einer nord- oder ostdeutschen Stadt. Die Altstadt ist sehr schön rekonstruiert. Eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, dass nach dem Krieg 95 Prozent in Schutt und Asche lagen.

Fazit

Nicht nur die „lange“ Hinreise im Bus nach Shanghai, auch die langsame Heimreise via Transsib hat sich gelohnt. Der Kulturschock und der Jetlag fallen weg. Bei einer zweiten Transsib-Reise würde ich einen Tag in der Mongolei kürzen und dafür (mindestens) einen Tag länger in Moskau bleiben. Auch auf der Heimreise haben wir viele schöne Begegnungen mit den Menschen der jeweiligen Orte genießen dürfen oder uns in den Zügen mit „Einheimischen“ oder auch anderen Touristen unterhalten können. Allerdings: So bequem wie in unserem feuerroten Doli-Baby sind wir nie gesessen. Das „Verdauen“ der ganzen Reise dauert wohl auch etwas länger.

Adieu

Meinen schon wieder zu Hause eingelebten Reisebegleiterinnen und -begleitern sage ich Tschüss und auf Wiedersehen und den Busrückfahrern wünsche ich gute Weiterreise (ich habe gesehen, dass ihr euren Rückstand auf die „Marschtabelle“ schon fast aufgeholt habt, ihr Tausendsassas), ich hole Euch ab in Pratteln, versprochen!

Herzlichst

Heidi Bisang

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17Jul/10Off

Inge Stagneth: Geduldsproben

Wir fahren zum Sairamsee. Die Straße ist holprig, viele Schlaglöcher, doch die herrliche Landschaft entschädigt für die Mühe. Das Licht und die Wolken bilden einen dramatischen Hinter- und Vordergrund für den See, den wir nach Rütteln und Schütteln erreichen. Ein Fischerboot dümpelt auf dem See, am Rand stehen die Rundhütten der Nomaden, die in den letzten sechs Wochen ihren Sommersitz bezogen haben. Reiter kreuzen mit ihren Schafen die Straße, die Sonne geht unter. Wir freuen uns, eine Nacht und fast einen Tag hier verbringen zu können. Im Hotel werden wir sehr freundlich von den jungen Menschen aufgenommen. Es ist auch nicht so kalt wie das letzte Mal. Das Essen ist sehr gut und der Schlaf erholsam.

Am nächsten Morgen, der strahlend aufgeht, unternehmen wir die kleine Wanderung, welche wir bereits das letzte Mal unternommen haben. Sie führt uns an nackten, frisch geschorenen, weißen Kamelen vorbei. Edelweiß und viele andere herrliche Sommerblumen säumen den Weg und stehen auf den Wiesen. Oben auf dem kleinen Hügel genieße ich, mit Morgensonne, wieder den See, den ich in meiner Erinnerung als „frohen Geistersee“ erlebte.

Am späten Nachmittag machen wir uns auf den Weg nach Korgas, die kleine Grenzstadt. Die Straße, war vor sechs Wochen noch auf beiden Fahrspuren Baustelle. Viele Frauen haben hier große Steine zerkleinert und geschleppt. Heute sehen wir einen enormen Fortschritt. Die Straße ist vorbereitet zum Teeren und wir treffen kaum einen Arbeiter. Alles ist sauber und aufgeräumt. Die Spätnachmittagsonne zeigt uns ein glänzendes Bild in Schärfe und Farbe.

Wir haben die Hoffnung, dass wir nach den zwei Feiertagen problemlos über die  Grenze kommen. Das Hotel empfängt uns mit einem schönen Zimmer und wir fühlen uns wohl.

Der nächste Tag beschert uns Warten. Liu, unser chinesischer  Führer, der für die Grenzformalitäten zuständig ist, geht schon früh am Morgen los, um alle Formalitäten zu erledigen. Wir bummeln derweil im Park, gehen einkaufen, beobachten die Leute und die uns. Nach dem Abendessen treffen wir uns im Bus zum Kino. „Die Kinder der Seidenstraße“, wir trinken eine Flasche Wein und lassen es uns gutgehen. Am Mittwoch fehlen immer noch Papiere oder das Okay von Urumqui, damit unser Bus über die Grenze kommt. Die Zimmer sind verlängert, wir können bleiben. Liu teilt uns mit, dass die Papiere für den Bus zur Bearbeitung für den nächsten Tag als erste bearbeitet würden. Also gehen wir wieder essen. Nun kennen wir uns schon ganz gut aus, es grüßen uns die Menschen des Quartiers, wir ziehen stöbernd durch die Läden, um vielleicht noch ein Andenken das wir noch nicht kennen, mitzunehmen.

Am Donnerstag gilt die Devise: bereithalten für eine rasche Abreise. Den Gärtner der Hotelanlage kennen wir gut, er bringt jeden Morgen  seine fünf kleinen Bibbele mit, die in der Anlage des Hotels nach Futter suchen. Selbst der Hund eines anderen Mitarbeiters schnuppert nur an den kleinen Hühnchen. Wir lesen, schlafen und die Zeit vergeht.

Am Nachmittag machen wir uns Gedanken um das Visum für Kasachstan, das am Freitag ausläuft. Wir lassen uns vorsorglich im nahe gelegenen „Fotostudio“ Passbilder machen, um, wo auch immer, wenn nötig, ein neues Visum beantragen zu können sollten wir es brauchen. Wir sitzen in der Lobby, schneiden unsere neuerstandenen Bilder aus und malen uns unseren weiteren Aufenthalt in China aus. Wir sind guter Dinge und warten. Dann am späteren Nachmittag geht es los. Reza treibt zur Eile, denn wieder droht uns die Schließung der Grenze am Abend. Packen, auschecken, einpacken in den Bus und los zum Zoll. Warten, dann weiter. Es sind nur noch wenige Zöllner zu sehen, ein verdächtiges Zeichen. Wir fragen uns, ob wohl die Kasachen noch da sind. Die chinesischen Sicherheitsmenschen sind schon weg. Kein Zöllner ist in der Lage, den Durchleuchtungs-Apparat in Gang zu setzen. Anscheinend ist der Zuständige schon weg. Und da kommt die Hiobsbotschaft, dass der Zöllner, der den Bus prüfen muss, schon früher nach Hause gegangen ist. Uns fehlen die Worte. Wir können es kaum fassen, dass wir zurück zum Hotel gehen sollen. Einen Moment lang bin ich tief betrübt. Es geht mir auf die Nerven. Für mich sieht es so aus, als ob jeder, der hier herumläuft, ein äußerst wichtiger Mensch ist, der alles zu sagen hat. Aber das geht schnell vorbei, denn ich erlebe es hier nur einmal und die Menschen die hier leben, sind dieser Willkür oder dem Unvermögen jeden Tag ausgeliefert.

Der Bus bleibt auf dem Zollhof stehen. Alles Gepäck muss drinnen bleiben, das heißt, dass wir nicht an unsere Sachen kommen.  Ein Wachmann mit Hund passt auf, dass wir nicht zum Bus gehen. Da kommt, wie ein Wunder, der Zöllner, der früher ging und fertigt den Bus ab. Morgen früh dürfen wir dann, so heißt es, unbehelligt abfahren. Und er gestattet, dass wir jeder ein Gepäckstück mitnehmen dürfen.

Im Hotel werden wir freundlich begrüßt, na ja, man kennt sich ja schon. Wir lassen uns nicht davon abhalten, in einer Garküche Spieße zu essen und Bier zu trinken. Wir sitzen am Fluss, werden von den Mücken angegriffen, sind sehr ausgelassen und entspannt. Dann bestellen wir uns noch Nudeln und unter viel Gelächter ziehe ich die Nudeln mit den Stäbchen hoch und Ina schneidet mit dem Taschenmesser die Nudeln klein. Wir schmieden wieder Pläne, was wir anstellen wollen, wenn die Chinesen uns hier nicht mehr weglassen. Zwei Tage später erhalte ich eine SMS von meinen Töchtern, in der sie mich fragen, ob ichzwischenzeitlich in China wohne, denn der Bus bewege sich nicht weiter. Korgas als Urlaubsdomizil. Wir werden es weiterempfehlen.

Am nächsten Morgen sind die Angestellten des Gasversorgers, mit denen wir zusammen in der Kantine das Frühstück einnehmen, ganz verstört, dass der Bus weg ist, wir aber noch da sind. Drei winzigkleine dreirädrige Autos bringen uns zur Grenze.  Wir sitzen zu dritt mit Gepäck in einem und das Kleine hat Probleme, uns und die Koffer zu befördern. Sie bringen uns an einen illegalen Eingang, denn da sie keine offiziellen Taxis sind, dürfen sie nicht zum Haupteingang fahren. Aber nach langem Hin und Her bringen sie uns soweit es geht an den Eingang.

Eine Traube von Menschen wartet bereits am Tor und Punkt 10.30 Uhr wird dieses geöffnet. Ein unvorstellbares Gedränge und Geschiebe beginnt. Durch eine enge Gasse müssen wir uns durchmogeln, um dann im großen Hof und im Gebäude zu landen. Wir können es kaum fassen: Nach nur einer Stunde stehen wir, mit Bus, bei den Kasachen. Wir sind schnell durch den Zoll, aber unser Bus, der Gute, dem fehlt schon wieder wohl ein Papier. Dieses Mal ist es eine Versicherung. Da die Zöllner Mittagspause haben, wird Wolfram mit in die Kantine genommen und bekommt auch ein Essen. Doch nach essen, so erzählt er später, war ihm aber gar nicht. Die Gespräche drehen sich darum, was dieses Papier kostet. Am Ende sind es 450 US Dollar ohne Quittung. Für uns ist mittlerweile klar, dass wir eine Nachtfahrt nach Tarras vor uns haben mit ca. 800 Kilometern, mit schlechten Straßen. Nach allen Kontrollen von Seiten beider Grenzen nehmen wir Serge, unseren Begleiter, der vier Tage an der Straße auf uns gewartet hat, auf. Er ist froh, als wir endlich ankommen.

Wir sind aus dem Reiseplan gefallen und müssen schauen, dass wir weiterkommen.  Alain, unseren zweiten Fahrer, der uns auch schon seit einigen Tagen in Almaty erwartete und so einsam war, ohne „Büs“ und ohne Reisende, nehmen wir am Flughafen, nach Absprache, auf. Nach einem guten Essen auf einer Autobahnraststätte fährt Wolfram bis 4.50 Uhr zum Ziel.  Schon bei der Hinreise hatten wir hier nach einer langen Nachtfahrt eine kurze Nacht.

Wenig Schlaf und gutes Frühstück. Heute bis nach Samarkand, unterbrochen von einer Grenze. In Zahrkent. Mittagessen in einem kleinen Lokal im Garten. Der Fußboden wird gewässert, um etwas Kühlung zu bringen. Da die Straße schlecht ist, brauchen wir bis zum Nachmittag um an die Grenze zu kommen. Serge verabschiedet sich. Es sind wenig Menschen da, keine Lastwagen zur Abfertigung, es ist Sonntag. Wir erspähen Murat auf der anderen Seite in Uzbekistan und sind erstaunt, wie schnell wir die Grenze passieren können.

Auch Murat hat lange warten müssen.  Auf der vierspurigen Landstraße fahren wir weiter. Manchmal kommen uns Fahrzeuge entgegen. Sie blinken auf, damit der Fahrer sie sieht. Bauern treiben ihre Rinder- und Schafherden auf dem Seitenstreifen. Eselwagen, gezogen von einem oder zwei Eseln, fahren auf die Felder. Die Menschen winken. Die Baumwollfelder blühen gelb und weiß. Sonnenblumen geben farbige Akzente. In den Dörfern sitzen die Menschen vor den Häusern, es ist Sonntag, die Männer spielen, die Frauen reden. Die Landschaft ist herrlich.

Auf der Fahrt an die turkmenische Grenze verbringen wir die Mittagspause auf dem Karawanen-Markt in Buchara. Ina hat den Fahrern eine knappe Zeit abgerungen, denn ein Teeservice, das schöne, typische muss sein. Lange sind wir auf dieser Reise mit Ina auf Teekannensuche gewesen. Die mit Mao-Bild wollte sie nicht, auch die mit einem großen Hirsch hat sie abgelehnt, denn es war eine bestimmte Teekanne, die sie nun hier gefunden hat. Inas Auftragseinkäufe konnte sie, trotz schlechtem Gewissen nicht tätigen, da die Zeit viel zu kurz, der kleine Laden, in welchem die Porzellan-Waren dicht an dicht auf dem Boden standen, zu eng und der Verkäufer von so vielen Käufern überfordert war. Wolfram und Alain ließen sich anstecken und jeder kam mit Beute zum Bus. Verena und ich kauften für mich ein leichtes Baumwollkleid für den Iran, was ich später aber nicht tragen konnte, da es viel zu kurze Ärmel hat.

Murat verlässt uns an der Grenze und Elena, unsere Führerin in Turkmenistan, ist glücklich, als wir verspätet an der Grenze ankommen. Wir sind nicht nur ein paar Tage zu spät, sondern auch heute sind wir spät gekommen. Kurz nach der Grenze stehen wir am Oxus. Heute hat er nicht so viel Wasser, aber dafür strahlt er im Abendlicht. Natürlich wollen wir den großen Fluss zu Fuß überqueren. Ein tolles Gefühl, in der Mitte der Brücke stehen zu bleiben und die Größe zu ermessen.

Wir haben wieder eine Nachtfahrt bis Mary vor uns, essen Melone unterwegs im Bus und in Mary nehmen wir noch unseren Schlummertunk ein.

Frühstück im Freien, vor den Blumenbeeten. Elena umsorgt uns. Um 14 Uhr sollen wir an der Grenze sein. Elena weiß eine Abkürzung, die uns eine Stunde schneller dorthin bringen soll. Ina ist der meistgerufene Name derzeit im Bus. Ina bringt Kaffee, Tee, Kekse, Schokolade, Zuspruch, Ina bringt Geld, Ina beantwortet Fragen, wo und wann Pause, Ina kocht Suppe, kauft ein, legt Geld aus, putzt die übergelaufene Kaffeemaschine, macht Abrechnungen, Umrechnungen der Währungen. Wir fahren an Salzseen vorbei, die schön aussehen aber, wie Elena sagt, total giftig sind von den Pestiziden, die von der Landwirtschaft benutzt wurden. Heute lagert hier giftiges Salz. Eine schmale, mit Schlaglöchern durchsetzte Straße nötigt zum Langsamfahren. Die Wüste ist fast menschenleer. Doch ab und zu kleine Gehöfte. Elena erklärt, dass die Menschen hier vom Opiumanbau leben. Komisch ist, dass uns keine Autos begegnen. Plötzlich Wachposten, eine Schranke über die Straße. Elena spricht sehr lange mit dem diensthabenden Soldat. Derweil schauen wir den Soldaten beim Kochen zu. Es ist Mittagszeit. Ein Hund setzt sich ins Wasser zum Abkühlen. Wir haben eine große Melone an Bord, teilen sie mit den Soldaten, die sich freuen und geben ihnen unser Bier, das wir in den Iran nicht mitnehmen können. Endlich können wir weiter. Eigentlich durften wir diese Straße gar nicht befahren, sie ist für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Dank Elena sind wir durch.

Ein- und Ausreise sind problemlos, außer dass wir Frauen wieder Kopftücher tragen müssen. Heidy sieht fast wie eine Piratenfrau aus, es ist lustig. Reza ist da und wir freuen uns alle über das Wiedersehen. Wir übernachten in Mashad am Rande der Stadt. Nach dem Essen ein kleiner Bummel, der uns in einen Supermarkt führt, in dem es alle westlichen Köstlichkeiten für viel Geld gibt. Aber außer Saft können wir warten, bis wir zu Hause sind.

Lange Fahrt bis Teheran, ca. 800 Kilometer. Wüste, Wüste, Wüste. Kamele und Dromedare, kleine und große. Mittags  lassen wir es uns gutgehen im Restaurant bei Spießen und Reis. Wir sind im selben Hotel wie auf der Hinfahrt untergebracht. Das haben wir wegen der Zimmer noch in schlechter Erinnerung. Verena und ich haben eines, das sich nicht schließen lässt. Wir können wechseln. Verena kann hier nicht schlafen wegen Elektrosmog. So teile ich mit Ina ein Zimmer. Der Flur, erst neu gemacht, sieht aus, als ob es hier zum Puff ginge oder als ob man sich in einem Horrorfilm befände. Graue Wände mit roten Zacken, ich kann kaum hinsehen.

Täbris ist heute unser Ziel.

Um 5.30 Uhr wechseln Alain und Wolfram ein Rad, welches platt ist. Damit verzögert sich die Abfahrt,aber nicht ohne vorher noch Bilder mit Panda und Verena, mit Wolfram und mit allen gemacht wurde. Wolfram fliegt heute nach Berlin und wir sind dann zu fünft, Alain und vier Frauen. Wir werden  Wolfram vermissen, hat er doch viel und gerne mit uns gescherzt und Witze gemacht. Ist sehr gut gefahren.

Großer Schreck, Hans-Peters IPod ist weg! Gestohlen aus dem Bus bei Reifenwechsel. Was sehr schlimm für ihn sein wird: Seine Musik, die er in aller Welt gesammelt hatte, ist darauf. Alain und wir auch sind betroffen.

Der Reifen muss repariert werden, denn ohne Ersatzreifen in der Wüste, das geht nicht. Reza findet eine Werkstatt. Dort wird eine dicke lange Schraube aus dem Reifen geholt und der Reifen wird fachmännisch verarztet. Kaum fahren wir ein paar hundert Meter, zeigt die Elektronik, dass ein Wasserschlauch geplatzt ist. Die Kühlflüssigkeit tritt aus. Reza ruft die Werkstatt an und ein Automechaniker kommt mit Auto und kleinem Söhnchen. Leider findet sich unter den Ersatzteilen kein Wasserschlauch. Also setzt sich Reza in ein Taxi, um einen zu besorgen. Als er zurückkommt stellt sich heraus, dass der Schlauch nicht passt, also wieder ins Taxi und noch einmal los. Wir vergnügen uns derweil bei Händlern, die am Straßenrand eingelegte Salztrauben und Melassen-Saft von Trauben verkaufen. Es ist ein lebhafter Handel. Zum Schluss nehme ich mir auch eine Flasche mit eingelegten Trauben mit. Bin gespannt, wie sie schmecken. Nun rollen wir weiter. Keine besonderen Vorkommnisse mehr bis Täbriz. Das Hotel ist schön. Wir kaufen Nüsse und Süßigkeiten und genehmigen uns einen kleinen Bummel im Bad der Menge.

Heute ist Endpunkt Dogubayzit

Eine Landschaft wie gemalt in Formen und Farben. Grüne Hügel, durchsetzt mit goldenen, abgeernteten  Kornfeldern, die nicht gerade, sondern in Wellen und Kreisen ausgesät wurden. Manchmal wie Flüsse, die sich verzweigen und manchmal geometrische Figuren. An der Grenze zur Türkei regelt Reza den Verkehr. PKWs haben die Busspur zugestellt und es gelingt ihm, alle ungefähr sechs Wagen zurücksetzen zu lassen, damit wir nicht auf deren Abfertigung warten müssen. Dann nehmen wir, nachdem Reza Alain bei den Formalitäten behilflich war, Abschied von ihm. Von nun an haben wir keinen Reiseleiter mehr. Ein Mittelsmann übernimmt die Papiere von Alain für den Bus und organisiert eine schnelle Abfertigung an der türkischen Grenze.

Wir finden problemlos unser Hotel und fühlen uns schon fast wie daheim.

Inge Stagneth

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