Im Reisebus von Freiburg nach Shanghai – auf der Seidenstraße um die halbe Welt
21Mai/10Off

Heidi Bisang: Kasachstan – Kirgistan

Liebe Daheimgebliebene,

Reisen ist schön, manchmal – zugegeben ganz selten – kann’s auch etwas an den Nerven zerren, davon will ich Euch heute berichten.

Rekorde

Am letzten Montag um 8Uhr h sind wir in Taschkent losgefahren Richtung Kasachischer Grenze. Um 9.15 Uhr waren wir schon da, der Scheff kam vom Zollhüsli zurück und berichtete, dass gerade Znünipause sei, wir sollten noch ein wenig im Bus bleiben. Schon 10 Minuten später hieß es aber, aussteigen und vorwärts Marsch zur Passkontrolle. Die ging recht zügig voran, unsere Barschaften hatten wir am Vorabend gezählt, wir mussten nur noch das Formular (kannten wir ja schon von der Einreise her) ausfüllen. Keine/r von uns wurde kontrolliert, weder Gepäck noch Moneten, innert 3/4 Stunden waren wir durch. Weiter also zur Passkontrolle der Kasachen, auch da ging’s wie durch Butter. Alles in allem waren wir nach nur 90 Minuten durch und vor dem Zollgebäude auf kasachischem Boden, der Bus konnte kommen. Aber der kam nicht und kam nicht und kam nicht. Dafür kam der Scheff, die würden mal wieder um einen Stempel streiten. Der Agent ließ sogar in die Hauptstadt telefonieren und sich betätigen lassen, dass alle Papiere in Ordnung seien und alles seine Richtigkeit habe. Das interessierte den Oberzöllner am Grenzübergang aber nicht. Vermutlich hätte er sonst sein Gesicht verloren.

Kurz: Er ließ uns schmoren, buchstäblich, denn es war stinkheiß und der Schatten wurde immer rarer. Das Wasser ging uns aus und der Hunger meldete sich. Wir aßen, was noch so da war und durften gnädigerweise sogar Wasser mit aus dem Bus nehmen. Wir fingen an ein Kinderspiel zu spielen (wir würfelten Wörtlein und machten daraus Geschichten), so verging wenigstens die Zeit im Fluge und wir amüsierten uns königlich. Das wiederum passte aber dem Chefzöllner gar nicht: Wenn das Gelächter nicht aufhöre, würde er uns vom Platz weisen. Also hörten wir damit auf und unterhielten uns nur noch im Flüsterton, wir wollten ja um gar keinen Preis den nötigen Stempel auf den Autopapieren verzögern. Es nützte alles nichts. Ein netter Zöllner (wohl ein Neuling, der nichts zu verlieren hat) kam dafür mit einem Eis für Barbara, – die hatte nämlich an diesem denkwürdigen Tag Geburtstag – und nahm gerne Bestellungen für weitere Glacés auf. Seine Mutter brachte uns dann die Erfrischung und dazu noch jede Menge Riegel, die wir ihr natürlich alle abkauften. Nach 9 1/2 Stunden ausharren (1 Stunden ging durchs Uhr vorstellen drauf), um 19.45 Uhr, kurz vor Büroschluss um 20 Uhr, wurden wir dann endlich „freigelassen“, wohl weil ein Zöllner mitfahren wollte bis zu seinem 30 km entfernten Heimatdorf. 6 Stunden Autofahrt lagen noch vor uns. Uns war das wurscht, wir waren nur glücklich und froh, endlich in unserem roten Liebling zu sitzen und den Motor schnurren zu hören. Was für ein schönes Geräusch!

Auf halbem Weg – kurz vor Mitternacht – hielten wir dann vor einer größeren Wirtschaft. Ich glaubte, wir bekämen höchsten noch ein Bier und die Brotreste des Tages. Denkste, die Wirtsleute rannten in die Küche und bereiteten für uns eine vollständige Mahlzeit zu: Suppe, Salat, Teigtaschen und Spießli à gogo. Ganz einfach köstlich und hinreißend. Das sollte mal eine Busladung Menschen in Deutschland oder der Schweiz probieren, vergebene Liebesmüh‘, solche Wirtsleute müssten erst mal er(ge)funden werden.

Um 5 Uhr morgens sind wir dann vor dem Hotel in Taraz vorgefahren. Ein nettes Haus – momentan zwar noch schwer in Renovierung – mit sauberen Zimmern und vor allem einem tollen Frühstücksbuffet bis 11 Uhr!! Wir konnten ausschlafen. Mir kam’s vor wie an der Fasnacht: Beim Morgengrauen ins Bett, 5 Stunden gut schlafen, schön frühstücken und dann wieder ab uf d’ Gass.

Um 12 Uhr mittags sind wir dann wieder losgefahren. Diesmal gerüstet mit mindestens 1 Liter Wasser pro Nase, mit süßen Brötchen und salzigen. Mit Spielen (die man „leise“ spielen kann) und mit genügend Lesestoff, denn unser „Angstgegner“ lag ja wieder vor uns, wir mussten raus aus Kasachstan und rein nach Kirgistan.
Doch erstens kommt es anders... Wir Fußgänger kamen – wie schon am Vortag – zügig durch und ließen uns häuslich auf Mäuerchen nieder, da kam auch schon – wie eine Fata Morgana – unser Bus angebraust. Der Jubel war groß! Es gibt sie also doch noch, Grenzübergänge ohne Schikane! Jetzt bleiben uns nur noch zwei Grenzen, morgen zurück nach Kasachstan und am Montag die Überfahrt nach China, wir sind gespannt, was uns da blüht. Eines ist ganz sicher: Wenn wir die Chinesische Grenze hinter uns haben, wird ganz groß gefeiert. Prost!

Ein Land, zwei Zeiten: von Neuneinhalb- zu Anderthalbstunden.

Halbzeit in Kirgistan

Wir sagen Kirgistan, so wie es die Kirgisen auch tun, da kann das EDA (CH) und das Auswärtige Amt noch lange Kirgisistan sagen.

Wir sitzen in Bishkek und feiern Halbzeit unserer Reise mit einem völlig freien Tag. Im Gegensatz zur bisherigen Reisezeit kommt uns die Zeit hier (4 Nächte) wie „richtige“ Ferienzeit vor. Ein Hotel mit Swimmingpool, eine Bergkette höher und länger als die Alpen, eine Landschaft (fast) wie Interlaken, was will man mehr. Mal nicht in der großen Gruppe durch die Gegend ziehen, sondern zu zweit oder dritt auf Erkundungstour gehen. Und vor allem nicht in der großen Gruppe essen gehen, für mich zu Beginn der Reise (jetzt habe ich mich daran gewöhnt) der Albtraum schlechthin denn...

Herr Ober, zahlen

Kann mir jemand sagen, weshalb in Deutschland (und leider auch in gewissen deutschschweizer Orten, Basel gehört zum Glück nicht dazu) alle immer einzeln bezahlen wollen? Wenn 6 Badener im Wirtschäftle – jeder bei einem Viertele und einem Wurstsalätle sitzen – dann wird 6 mal einzeln bezahlt, so wurde ich belehrt, das gehöre sich so. Dass in der ganzen übrigen Welt tischweise abgerechnet wird, kümmert sie nicht, sie beharren auf Einzel-Bezahlung. So auch bei etlichen unserer ReisegenossInnen. Das führt dann zur grotesken Situation, dass an jedem Tisch (mindestens) eine/einer auf Einzelrechnung besteht (denn er/sie hatte ja „nur“ eine Suppe und die anderen Spieße). Die Differenz Suppe zu Spieße beträgt notabene höchstens 25 bis 30 Cents!!! Dass das Brot und oft auch der Tee, die ungefragt auf die Tische gestellt und auch konsumiert werden, auch bezahlt werden müssen, wird dabei einfach vergessen. Weil unsere lokalen Reiseleiter mit den jeweiligen Wirten (global) abrechnen, entstehen Fehlbeträge, die dann halt doch auf alle umgelegt werden müssen, sollen sie nicht am jeweiligen Reiseleiter hängenbleiben.

Manchmal versteh ich die Welt nicht mehr. Aber die Hoffnung bleibt: In China ist nichts mehr mit Einzelabrechnung, da bestellt jede/r 1 bis 2 Gerichte, die dann mitten auf die Tische gestellt werden, wo sich dann alle an allem erlaben. Die kleinen Differenzen bei den Getränken (ich hatte Bier, Du trankst Wein, er/sie nur Wasser) werden dann hoffentlich unter uns zu lösen sein und nicht auf dem Buckel der Kellner. Ich will mich nicht mehr schämen müssen!!

Soviel für heute, wir wünschen Euch allen schöne Pfingstfeiertage mit endlich schönem Wetter (diesbezüglich hören wir nur Horrormeldungen aus Europa).

Heidi Bisang

veröffentlicht unter: Reiseblog Kommentare
Kommentare (0) Trackbacks (0)
  1. Liebe Heidi
    Herzlichen Dank für die tolle Information. Jedes Mal bin ich begeistert von deinem Bericht, den ich mit grossem Eifer und Interesse lese. Ich wünsche dir weiterhin eine gute Reise mit vielen, schönen und eindrücklichen Erlebnisse.
    Liebe Grüsse aus Liestal (übrigens, hier ist der Sommer eingekehrt!)
    Albert

  2. seit Wochen bin ich interessierter Leser der Reiseberichte der fleißigen Verfasser. Es ist selbst hier in der (kalten und total verregneten) Heimat am Schreibtisch ein aufregendes Gefühl und Mitempfinden der Eindrücke dort vor Ort, was Ihr erlebt und seht. Man leidet und fiebert mit, wenn ich die Berichte lese. Vielen Dank an die Verfasser für Mühen des Schreibens. Dem gebrochenen Zeh gute Besserung, allen Teilnehmern, den Scheffs und Schaffern herzliche Grüße aus Ulm. Besondere Grüße an meine Schwägerin Ina Varga. Heidenheim steht noch. Ulrich


Kommentar schreiben


Trackbacks are disabled.