Im Reisebus von Freiburg nach Shanghai – auf der Seidenstraße um die halbe Welt
25Apr/10Off

Plaudereien aus dem Nähkästchen

Liebe Fangemeinde,

unsere BlogschreiberInnen beschreiben Euch die vielen wundervollen Städte und Landschaften, die wir (buchstäblich) erfahren dürfen. Ich plaudere heute ein bisschen aus dem Nähkästchen und erzähle Euch, wie wir zusammen leben und was sonst noch alles passieren kann.

Der Bus

Im Prospekt zur Reise ist zu lesen, dass der Bus zur guten Stube wird. Na ja, hab’ ich gedacht, da übertreibt der Scheff wohl ein bisschen. Aber es stimmt: Der Bus ist unsere Wohnstube, unser Schlafwagen, unser Café. Kurz gesagt: Er ist die Konstante in unserem momentanen Nomadenleben. Da gibt’s Diskussionsrunden und Leseecken samt Bücherkiste für die Leseratten. Wir werden liebevollst umsorgt von Ina, sie kocht Kaffee für alle. Biskuits (Mailänderli, von einer Dame zum Abschied in Freiburg an den Bus gebracht, sie waren supergut, Danke!), Konfekt oder Pralinen gibt’s auch dazu. Das häufigste Geräusch im Bus ist „klick“, wenn alle an den Fenstern hängen und fotografieren.

Die Chauffeure

Über unsere beiden Chauffeure Hans-Peter und Stefan können wir nur Lobendes berichten. Sie sind hochprofessionell, fahren ruhig und gekonnt. Wir fühlen uns sicher wie in Abrahams Schoß. Der Bus wird auf jeder Etappe außen und innen geputzt, er glänzt immer im schönsten Ferrari-Rot. Das verlange die Chauffeuren-Ehre, dass ein Bus immer gepflegt auf Reisen gehe, wurde ich aufgeklärt, als ich zu Beginn einmal bemerkte, das störe doch nicht, das bisschen Staub auf dem Auto. Mittlerweile bin ich aber stolz in einem solch sauber glänzenden Auto durch die halbe Welt gefahren zu werden. Kaum halten wir an einer Tankstelle oder Raststätte an, sind wir umringt von Neugierigen, die sich die aufgemalte Route anschauen und dann ungläubig lachen oder den Kopf schütteln, wenn wir erklären, dass wir wirklich diese ganze Strecke fahren werden.

Die Straßen

Bis jetzt waren alle Straßen gut bis sehr gut. Wir sind meist besser und schneller vorangekommen, als der Scheff geglaubt hat. Die Straßen wurden früher und besser ausgebaut, als selbst er es für möglich gehalten hat. Auer in den Großstädten sind wir oft fast alleine unterwegs. Bis jetzt haben wir ein einziges Mal 2 Stunden im Stau gestanden. Der Grund: ein Horror Unfall. Kurz nach Ankara sind sich etliche Lastwagen in die Quere gekommen, darunter ein Tankwagen der wohl explodiert ist. Die Unfallstelle war ein einziger Autofriedhof mit 5 - 6 total ausgebrannten Lkws. Schrecklich!!! Wir waren glücklich und froh, nicht darin verwickelt gewesen zu sein.

Das fahrende Volk

Wie meist auf solchen Reisen, gibt’s auch bei uns einen Damenüberschuss, im Verhältnis etwa 14 zu 10 (das ändert sich auf verschiedenen Etappen). Wenn Ihr nun denkt, es gäbe „Zickenalarm“, muss ich Euch enttäuschen: Bei uns geht’s ganz normal zu. Nach anfänglichem Beschnuppern sind wir in den 10 Tagen, die wir nun unterwegs sind, zu einer Freiburg-Shanghai-Familie zusammengewachsen. Wir haben unsere Mödeli (Macken wäre zu viel gesagt) kennengelernt und akzeptieren sie. Toleranz wird bei uns ganz groß geschrieben. Jedwelche (extrem seltene) Unstimmigkeiten werden sofort aus dem Wege geräumt.

Die Hotels

Da muss ich unserer Reiseleitung ein ganz großes Lob aussprechen. Der Scheff hat uns immer im bestmöglichen Hotel im Zentrum des jeweiligen Ortes untergebracht. Wir können alle Orte zu Fuß erkunden. Dass zuweilen eine Dusche rinnt, eine Lampe nicht brennt, die Heizung nicht an oder nicht abgeschaltet werden kann, nehmen wir grinsend zur Kenntnis, wir sind schließlich im Orient und haben uns alles viel schlimmer vorgestellt. Wir sind aufs Angenehmste überrascht. Apropos Vorurteile: Während dieser Tagen in der Türkei mussten wir unsere Vorurteile von Tag zu Tag revidieren. Die Städte sind sauber und gepflegt, es liegt kein Dreck rum, es stinkt nicht, die Menschen sind freundlich und hilfsbereit, wir können uns gerne eine Scheibe davon abschneiden. Wirklich armselig ist uns nur das „wilde Kurdistan“ erschienen. Ein großes, weites, karges Hochland, landschaftlich traumhaft, aber halt höchstens zur Viehhaltung zu nutzen. Industrie scheint vollständig zu fehlen und der Tourismus ist praktisch inexistent.

Dies & Das

Da gibt’s diese Dame in unserer Gruppe, die kurz nach 7 Uhr erwachte. Also rasch in die Dusche und in die Kleider. Ein Kontrollblick auf die Uhr zeigt es ist kurz vor 1 Uhr!! Im Halbschlaf und Halbdunkel hat sie den großen mit dem kleinen Zeiger verwechselt. Das Gelächter am Frühstückstisch war groß.

Oder da gibt’s eine Reisegenossin, die in Thessaloniki vor dem Schlafen die Uhr nochmals um eine Stunde vorstellt (der letzte Ouzo war wohl einer zuviel) und darum die Reisegenossin im Zimmer nebenan statt um 7.15Uhr um 6.15 aus dem Tiefschlaf holt, um das Wärmepflaster gegen den Hexenschuss aufzukleben. Es tut ihr jetzt noch leid.

In Istanbul musste ein Ehepaar um das einzige Deckbett kämpfen, Motto: Eine/r friert immer. Dem konnte abgeholfen werden mit einer zweiten Decke für die nächsten beiden Nächte. Im selben Hotel hat eine der Damen wegen der dünnen Decke ganz fürchterlich gefroren, bis sie früh um 5 Uhr dann merkte, dass der vermeintliche Matratzenschoner die Zudecke war. Die letzten 2 Stunden (und folgenden Nächte) hat sie dann mollig warm gebettet das Bett genießen können.

Noch ein Müsterchen gefällig? Wir sind auf der Ausfahrt aus Istanbul, als einer unserer Mitreisenden seinen Pass vermisst. Große Aufregung, Ina telefoniert ins Hotel, ob der Pass noch dort liege. Chauffeur Stefan geht mit ihm im Gepäckraum nachsehen, da ist er auch nicht. Schließich findet sich der Pass in der Brusttasche der Jacke, dort wo er schon immer war, diesmal aber nicht gleich greifbar, weil noch ein Schal dazwischenlag. Die Erleichterung ist enorm…

Und da hätte ich noch eine Hüsli/Klo/WC-Geschichte. Ich gebe es ungern zu: Sie ist mir passiert. Ihr wisst es alle, wir sind im Land der Steh-Schisselis (Steh-Toiletten) und beim letzten Halt vor dem Etappenziel also musste ich ganz dringend (wenn immer möglich schonen wir unser WC im Bus, weil die Entleerung auf unserer Route schwierig ist). Also die Hose, den Bauchladen (mit der gesamten Barschaft) und die Unterhose zusammenhalten und ab in die Hocke. Da habe ich wohl eine Lage zu wenig gehalten und mir so prompt in die eigene Unterhose gepieselt. Im Vorraum musste ich dann alles ausziehen und die Unterhose entsorgen – selbstverständlich unter großem Gelächter meiner Reisegenossinnen. Sie haben mir einen Stehbrünzlikurs empfohlen!! Ich bin am Üben.

Weil wir schon bei den WC-Geschichten gelandet sind: In den großen Raststätten oder Tankstellen gibt’s oft ein WC für Behinderte und da gehen wir wenn möglich hin, da hat’s nämlich eine WC-Schüssel, wie wir sie gewohnt sind. Diese WCs sind immer tipptoppsauber (auch so ein Vorurteil, das wir ablegen konnten). Bei den kleinen Tankstellen oder Beizlein wird’s dann aber stinkig und grauslich.

Zum Schluss noch ein Happy-End-Geschichtlein: Gestern bei Ankunft lag da der Pass unserer Reisegenossin, die sich den Pass mit den Visa nachschicken lassen musste. Normalerweise ist das kein Problem, wer hätte schon gedacht, dass ein Vulkan in Island die gesamte Luftfahrt lahmlegt. Die Luftfahrt läuft wieder und so kam gestern auch der letzte Pass angeflogen. Juhui, die Reise kann für alle weitergehen.
Das wär’s für heute, ich grüße Euch alle ganz herzlich vom Fusse des Ararat, er hat sich uns heute nach dem Frühstück zum ersten Mal gezeigt – eine absolute Wucht.

Heidi Bisang

(Anmerkung der Blogmasterin: Heidi ist Schweizerin und sie hat mich gebeten, die „Helvetismen“ aus ihrem Blogbeitrag zu tilgen. Bis auf zwei hierzulande wirklich unbekannte Begriffe habe ich das nicht getan. Und das ist gut so. Was hätten wir denn im Hochdeutschen so anschaulichen Wörtern wie „Stehbrünzlikurs“ entgegenzusetzen??? Na also! Ich liebe diese Sprache. Und ihr LeserInnen hoffentlich auch ;-).)

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25Apr/10Off

Kappadokien – Ostanatolien

21.04. Mittwoch 
8. Tag Istanbul – Ürgüp/Kappadokien

Das Wetter ist einfach lausig. Regen und Affenkälte. Von der interessanten Tuffsteinlandschaft sehen wir erst mal nichts. Aber das Hotel ist bezaubernd. Wir wohnen um einen Innenhof mit Schwimmbad herum, und unter den Arkaden, die vor unseren Zimmern sind, kann man sogar regensicher sitzen. Das wieder mehrgängige (und uns langsam überfordernde) Abendessen findet in dem Hotelrestaurant statt, das den Gewölben der in den Fels gehauenen Wohnungen nachempfunden ist, sehr geschmackvoll nur mit Teppichen geschmückt, Feuer im Kamin usw.

22.04. Donnerstag 
9. Tag Kappadokien

Das Wetter immer noch unsicher, aber es klart auf, und wir erleben nun diese phantastische Landschaft. Wie die zustande gekommen ist, könnt ihr ergoogeln. Als erstes besichtigen wir eine der unterirdischen Städte. Hier fanden im 11. und 12. Jahrhundert Tausende von verfolgten Christen Schutz. Die Stadt, die wir besichtigten, ging 6 Stockwerke in die Tiefe, von denen ich allerdings nur die ersten zwei sehen konnte. Danach wurde es zu steil. Winzige Kammern, ein ausgeklügeltes Belüftungssystem mit Schächten, die nach oben gehen, Brunnen, die mehrere hundert Meter tief sind, winzige Kammern, in denen ich gerade noch stehen konnte, alles in den Stein gehauen! Aber wir erfuhren, dass die Leute damals keineswegs kleiner waren als wir heute: aus Skelettfunden weiß man, dass sie z.T. 1,80 m groß waren, also sich oft bücken mussten, genauso wie wir, wenn wir durch einen der Tunnel ins nächste Stockwerk klettern mussten. Diejenigen, die tiefer gegangen sind, erzählten, dass sie z.T. hätten kriechen müssen. In dieser Stadt konnten sich bis zu 4000 Menschen (!) verstecken und, da sie dort Vorräte gelagert und auch Zugang zu Wasser hatten, eine Weile überleben. Der Zugangstunnel konnte durch einen einzigen Stein so verschlossen werden, dass er von außen nicht zu öffnen war. Solche Städte gibt es mehrere, sie sind durch unterirdische Tunnel miteinander verbunden, von denen der längste, den man gefunden hat, 25 km lang ist! Diese Städte wurden meist im Winter gegraben, weil dann der Aushub durch Schnee verdeckt und daher vom Feind nicht entdeckt werden konnte.
Bis heute werden diese in den Bimsstein gehauenen Höhlen als Lagerungsstätten für Kartoffeln, Obst und Gemüse genutzt, denn die im Winter wie im Sommer konstante Temperatur von etwa 12° sorgt für eine lange Haltbarkeit. Bis heute gibt es auch noch bewohnte Wohnungen, die wenigstens zum Teil in den Fels gehauen sind.

Am Nachmittag wagten sich einige auf die Wanderung, denn das Wetter schien zwar bewölkt, aber stabil. Pustekuchen: ganz am Schluss gerieten sie doch noch in den Hagel-schauer, den wir im Hotel ungläubig aufs Schwimmbad niedergehen sahen. Aber wenigstens saßen wir im Trockenen.

Am nächsten Tag – endlich schien die Sonne, auch wenn es noch immer ziemlich kalt war – fuhren wir nach Göreme und besichtigten in den Fels gehauene Kirchen mit wunderbar erhaltenen Fresken aus dem 11. und 12. Jahrhundert.

23.04. Freitag 
10. Tag Ürgüp – Sivas

Ihr seht schon, die Reihenfolge der Dinge ändert sich manchmal, in diesem Fall wetterbedingt. Und meine Fähigkeit, ausführliche Berichte zu schreiben, ändert sich auch. Denn mindestens bei uns Älteren (der älteste ist 79 Jahre alt!) stellen sich langsam Ermüdungserscheinungen ein. Die Reise ist doch recht anstrengend, auch wenn der Bus wirklich komfortabel ist, aber die langen Fahrten und die unglaubliche Menge an neuen Eindrücken, die zu verarbeiten man kaum Zeit findet, fordern ihren Tribut. Man will abends nur noch alle Viere von sich strecken und nicht mehr am Laptop sitzen. Während ich dies alles schreibe, sitze ich bereits in Dogubeyazit, während die anderen auf ihrer Wanderung zum Ishak-Pascha-Palast sind, und ich bin sicher, dass ich vieles aus den vergangenen Tagen, die ich hier beschreibe, bereits wieder vergessen habe. Ich kann nicht versprechen, dass ich meine Berichterstattung aufrechterhalten kann.

24.04. Samstag 
11. Tag Sivas – Dogubeyazit

Wunderbares Wetter! Wir fuhren durch Hochebenen zwischen Dreitausendern und über mehrere Pässe, die 2200 und 2300 m hoch sind und freuten uns schon auf den ersten Blick zum fast 5200 Meter hohen Ararat. Aber dann fing es doch wieder an zu regnen, und auch am nächsten Morgen war das Wetter noch trüb. Die kurdischen Dörfer an der Strecke unglaublich armselig, einstöckige winzige Gebäude mit Fenstern die geschätzte 50 cm breit und hoch sind, die Häuser gedeckt mit Plastikplanen, die von Autoreifen beschwert werden, aber jedes hat ein Fernseh-Schüssel! Wahrscheinlich das einzige Vergnügen im harten Leben der Menschen hier.

25.04. Sonntag 
12. Tag Dogubeyazit

Gegen 10 Uhr klarte es doch auf, und wir konnten den Ararat sehen, der über den Wolken zu schweben scheint. Und morgen früh müssen wir schon um 6 Uhr losfahren!!! Keine Ahnung, wann ich wieder ins Internet komme, also dies erstmal bis dann....

Barbara Volhard

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